Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
nicht, und so nahm Ida sie aus der Trage, bevor aus ihrem ärgerlichen Weinen Schreien wurde. Das Kind zu wiegen gab ihr auch einen guten Grund, Karl nicht mehr anzuschauen.
»Ich wollte sehen, wie es dir geht!«, antwortete Karl. »Dir und … Ottfried.«
Ida senkte den Kopf. Nachdem sie sich von dem Schreck über die Begegnung mit den Maori erholt hatte, schien sie sich wieder an das zu erinnern, was man in Raben Steinfeld von einer züchtigen Frau erwartete.
»Mir geht es gut«, sagte sie mechanisch. »Uns geht es gut. Wir … du siehst, wir haben ein … wir haben Kinder. Zwillinge.«
Karl sah verdutzt auf die beiden kleinen Mädchen. Er hatte das Kind in Cats Trage spontan für deren Tochter gehalten. Aber gut, wenn man näher hinsah, ähnelten sich die Kinder. Beide waren blond und zweifellos im gleichen Alter.
»Mr. Jensch«, mischte sich Cat jetzt ein, die Idas Verunsicherung bemerkte und die Freundin wieder einmal nicht verstand. »Ida wird Ihnen bestimmt gern alles erzählen, was sich ereignet hat, seit Sie getrennt wurden. Jetzt müssen wir die Mädchen allerdings nach Hause bringen. Sie müssen gefüttert werden. Carol schreit bestimmt gleich, und …«
»Carol?«, fragte Karl und sein Lächeln überstrahlte die eben verspürte Ernüchterung. »Das eine heißt Carol?«
Und bei Ida überwog nun der Mutterstolz über ihre Zurückhaltung. »Karla«, sagte sie. »Nach … nach Ottfrieds Großvater.«
Karls Lächeln erlosch.
»Und das andere heißt Linda«, setzte Ida schnell hinzu, wie um etwas richtigzustellen. Cat hob ihre Tochter ebenfalls aus der Trage, damit Ida sie vorstellen konnte.
»Você é linda …«, sagte Karl mit weicher Stimme. Er erinnerte sich. Und er sah Ida an, nicht das Kind.
»Wir sollten jetzt wirklich gehen«, erinnerte Cat, doch als Ida die Augen hob, schwieg sie.
Die tohunga hatte richtig gesehen, zwischen Ida und Karl Jensch war viel mehr als eine Jugendfreundschaft. Wenn sie einander ansahen, schien sich ein Band von Sternen zwischen ihnen zu winden.
»Cat hat Recht!«, sagte Ida jetzt, bevor sie sich wieder in Karls Blick verlieren konnte. »Wir müssen heim. Kommst du mit?«
»Ich möchte keine Umstände machen«, erklärte Karl förmlich.
Cat verdrehte die Augen. »Sie wollen jetzt nicht wirklich irgendwo Ihr Zelt aufbauen und altes Brot essen, statt zu uns ins Haus zu kommen und Kaninchenbraten zu genießen?«, fragte sie lachend. »Nachdem Sie Berge und Meere und was weiß ich nicht alles überwunden haben, nur um Ida wiederzusehen. Wo haben Sie denn überhaupt Betty getroffen? Kommen Sie mit, Sie wissen ja, wo wir wohnen, es ist nicht weit.«
Natürlich folgte Karl den Frauen nach Hause. Brandy fand einen Platz im Stall, und Chasseur duldete, dass Buddy sich neben ihn ans Feuer legte.
»Das ist ein Hütehund, nicht wahr?«, fragte Ida und streichelte den Kleinen. »Die Redwoods haben einen ähnlichen. Aber du hast doch gar keine Schafe.«
Karl lachte. »O doch!«, erklärte er und erzählte erst mal von seinem Neuerwerb.
Ida schienen die Schafe sehr zu interessieren. Sie fragte dies und das, während Cat in der Küche werkelte. Dabei schaute sie allerdings immer wieder nervös zu ihrer Freundin. Ida hatte beim Kochen helfen wollen, aber Cat hatte darauf bestanden, dass sie sich zu Karl setzte und erzählte. Echte Vertraulichkeit kam dabei jedoch nicht auf. Ida zeigte sich krampfhaft bemüht, das Gespräch nicht zu persönlich werden zu lassen. Lieber sprach sie über Schafe, über Hunde und Landvermessung auf der Nordinsel.
Karl spielte gelassen mit. Wahrscheinlich gaben ihm auch schon Idas Haus und ihr Umfeld Antworten auf viele seiner Fragen. Ida mochte noch so sehr beteuern, dass es ihr gut ging, sie lebte in einem schnell und flüchtig instand gesetzten Maori-Versammlungshaus in einem verfallenen pa . Cat kochte auf dem offenen Feuer, es rußte, weil der Kamin nicht ordentlich zog. Wahrscheinlich wurde das Haus auch im Winter kaum warm. Die Möbel waren spärlich und lieblos zusammengehauen. Gerade Ottfried als Zimmermann hätte das besser gekonnt, aber er machte sich offenbar nichts aus diesem Haus. Es war eine Wohnstätte auf Zeit, nicht das Heim, von dem Siedlerfrauen im Allgemeinen träumten. Das einzige liebevoll erstellte Möbelstück war die Wiege, in die Ida und Cat jetzt die Kinder betteten. Sie war sorglich gedrechselt, und am Kopfende prangte in fein ausgearbeiteten Buchstaben der Name Brandmann.
»Sie soll alle künftigen
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