Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
mit Weib und Kind, oder?«
Ottfried zuckte die Schultern. »Erst mal weg hier. Vielleicht Nelson oder die Nordinsel. Vielleicht Australien. Das wär gut, da ist unsere Familie.«
»Da bringt dich das Schiff aber nicht umsonst hin«, bemerkte Karl, während sich Ida, offenbar entsetzt von der Idee, nun doch noch einmal auswandern zu müssen, auf einen der Küchenstühle fallen ließ. Sie machte keine Anstalten zu packen. Auch ihr musste die Ziel- und Sinnlosigkeit dieser Flucht klar sein. Eins der Kinder schrie, und Cat ging nachsehen. Gleich darauf kam sie wieder, beide Babys im Arm.
»Nimm sie, Ida, und beruhige sie. Ich mache ihnen Milch warm, hoffentlich ist noch welche da. Mir steht der Sinn jetzt nicht nach Melken. Also was ist, Ottfried? Wo willst du Ida und die Mädchen hinbringen?«
Cat brannte das Herz, sie war sich jedoch ziemlich sicher, dass sich ihr Lebensweg und der Idas, Carols und Lindas jetzt bald für immer trennen würde. Sie konnte die Familie Brandmann vielleicht noch ein paar Tage auf der Flucht begleiten, aber sicher nicht in irgendeine Siedlung und erst recht nicht nach Australien. In jeder normalen Gemeinde würde man sehr schnell Fragen nach ihrer Funktion im Hause Brandmann stellen. Und um eine Siedlung kam Ottfried jetzt nicht mehr herum. Er würde Ida und die Kinder irgendwo einmieten und sich eine Arbeit suchen müssen. Wenn er vernünftig wurde und sich als Zimmermann bewarb, sollte das nicht schwer sein.
»Ich wüsste einen Ort.«
Karls Bemerkung kam überraschend, und seine Stimme klang keineswegs fest. Ida starrte ihn dennoch an wie ihren Retter – und sogar in Ottfrieds Gesicht stand nicht nur Ablehnung, sondern zumindest ein Anflug von Interesse. Allerdings auch von Verschlagenheit. Er mochte jetzt schon darüber nachdenken, wie er den früheren Nachbarn übervorteilte.
»Aber wir sollten uns erst mal hinsetzen und in Ruhe darüber reden. Es bringt nichts, Ottfried, jetzt überstürzt zu fliehen. Wo auch immer du hingehst – nach Nelson oder in eine neue Siedlung … Wer dich sucht, wird dich finden. Der einzige Zufluchtsort auf dieser Insel wäre eine der einsam gelegenen Farmen. Wenn du da ein paar Monate unterkämst, geriete die Sache mit dem Geld vielleicht in Vergessenheit. Oder Potter fände Gibson, mit ein bisschen Glück wird er sich auf die Jagd nach ihm konzentrieren. Der Mann will ja kein Blut sehen, sondern Geld.«
»Du meinst, ich sollte siedeln? Irgendwo auf unserem Land?«
Ottfried wirkte nicht gerade begeistert, doch hoffnungsvoll. Bisher war ihm dieser Gedanke wohl noch nicht gekommen.
Karl schüttelte den Kopf. »Nein. Die Maori sind nämlich auch schon hinter dir her. Die haben rausgekriegt, wie ihr sie über den Tisch gezogen habt, du und dein Gibson. Ich wäre da sehr vorsichtig. Sie wollen natürlich ebenfalls Geld, und sie mögen noch weniger zimperlich sein als Potter, um es zu bekommen.«
Ottfrieds Gesicht wandelte sich in eine Maske der Furcht. »Aber dann kann ich ja nirgends hin! Sie werden uns alle umbringen! Ich hab das schon damals gedacht, als … als … Sie bringen uns um … wie Wakefield …« Er stammelte.
Karl schüttelte erneut den Kopf. »Nein. Weil ich euch nämlich mitnehme. Nach Fenroy Station, in die Plains. Chris Fenroy wird euch aufnehmen, wenn ich mich für euch einsetze. Ich werde mich in die Farm einkaufen mit meinen hundert Schafen, und du, Ottfried, kannst für uns arbeiten.«
Cat blickte gespannt von Ida zu Ottfried. Dieses Angebot, das erfasste sie sofort, war das Beste, was allen passieren konnte. Zumindest Ida und den Mädchen. Jane Fenroy war zwar nicht gerade die Nachbarin, die Cat ihrer Freundin gewünscht hätte, auf Fenroy Station wären Carol und Linda hingegen sicher. Cat sah, dass Ida sich geistesabwesend bekreuzigte. Sie murmelte ein Dankgebet – ob aus tiefstem Herzen oder um Ottfried zu zeigen, dass sie gegebenenfalls Gott und nicht Karl Jensch dankbar wäre, wusste Cat nicht zu sagen. Wahrscheinlich war es beides. In Ottfrieds Miene dagegen kämpften Resignation und verletzter Stolz. Auch er musste wissen, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als das Angebot anzunehmen. Aber für jemanden arbeiten? Nicht als stolzer Handwerker, sondern als Knecht, und dann obendrein für den vormals so verachteten Karl? Es musste ihn hart ankommen.
Dann schien er einen Einfall zu haben. Sein Gesicht verzog sich zu einer Art grimmigem Lächeln. »Gut … äh … einverstanden, Karl. Ich, wir … also wir
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