Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
heiliger Furcht vor ihrer scharfen Zunge und ihren Launen. Wenn er nun Schützenhilfe von einem Teilhaber erhielt, mochte ihr der Spaß verdorben werden. Gut möglich, dass Karl Jensch sich weniger leicht herumstoßen ließ.
Nun war er also unterwegs – und offenbar nicht allein. Der aufgeregte kleine Maori-Junge, den der Häuptling mit der Nachricht geschickt hatte, erzählte etwas von einer blonden und einer dunkelhaarigen Frau und sehr kleinen Kindern. Verwirrt beobachtete Jane, wie Chris darüber geradezu aus dem Häuschen geriet.
»Das muss Ida sein! Karls Ida, verstehst du, Jane, das Mädchen, in das er verliebt ist, seit er denken kann, und das dann doch einen anderen geheiratet hat. Wenn das Ida ist! Wenn Karl es wirklich geschafft hat, diesem Ottfried seine Ida zu entführen! Ich kann’s nicht glauben! Das kann nicht wahr sein!«
»Ich will es zumindest nicht hoffen«, bemerkte Jane schmallippig. »Es wäre schließlich sehr befremdlich, wenn sich der Mann hier gleich mit einem Ehebruch und einer geraubten Frau einführt. Als Maori-Legende ist so was ja nett anzuhören, in der Wirklichkeit folgt darauf allerdings meist ein sehr verärgerter Ehemann mit einer geladenen Muskete.«
Chris winkte ab. »Ach was! Das wird schon seine Richtigkeit haben. Vielleicht gibt’s ja Scheidungen bei diesen Altlutheranern. Karl macht schon nichts Verbotenes. Wie’s aussieht, hat er Glück mit allem, was er anfasst. Nun wird es auch aufwärtsgehen mit der Farm, Jane! Wirst sehen, die Schafe machen uns reich!«
Jane verdrehte die Augen. »Na, dann geh ihn mal begrüßen, deinen Retter und Glücksbringer«, höhnte sie. »Ich werde mich derweil frisch machen, um die Lady standesgemäß zu begrüßen. Oder die Ladys … Sprach der Junge nicht von zweien? Muss ja ein Teufelskerl sein, dein Karl, zumal er beiden wohl auch schon ein Kind gemacht hat. Wie lange ist er jetzt auf der Südinsel? Und erlauben die Altlutheraner womöglich Bigamie?«
Bei dem langsamen Tempo, zu dem die Kuh und die neugeborenen Lämmer die Reisenden zwangen, hatte die Fahrt nach Fenroy Station fast eine Woche gedauert. Karl, Ida, Cat und die Kinder erreichten das Anwesen in der Mittagszeit. Vor ihnen in der Sonne lagen Häuser und Ställe, ein paar Äcker und weitläufiges Grasland. Der Waimakariri floss hier ebenso ruhig und klar dahin wie der Avon bei den Deans. Selbst die besorgte Ida konnte keine Anzeichen dafür erkennen, dass er jemals eine Überschwemmung verursacht hatte. Sein Ufer war verschwenderisch mit Raupo bewachsen, es gab ein Wäldchen in der Nähe der Farm und außergewöhnlich viele Rata-Sträucher. Cat fühlte sich an das Anwesen der Hemplemans erinnert.
»Rata hast du bisher eher als Bäume kennengelernt«, erklärte sie Ida. »Aber wenn das Gelände zu steinig ist, bleiben sie buschartig. Frau Hempelmann nannte sie Feuerblüten«, sagte sie und erzählte, wie oft sie die Blumen für die kranke Freundin gepflückt hatte. »Schau dir dieses Meer von roten Blüten an. Eigentlich ist es ja ein Unkraut, aber es gefällt mir, dass Chris Fenroy es stehen lässt.«
Ida hielt sich zurück. Jetzt, da sie Fenroy Station sah, begann sie, sich unwohl zu fühlen. Das war so viel Land, eine so große Farm – und auf dem Hügel über dem Fluss stand ein regelrechtes Herrenhaus. Und da sollten sie sich nun »einkaufen«? Mit ein paar Schafen? Wie würde Ottfried überhaupt damit zurechtkommen, all das mit Karl und Chris Fenroy zu teilen? Wobei Fenroy sicher das Sagen hätte. Warum sollte er die Herrschaft über dieses kleine Königreich aufgeben? Außerdem war da noch Jane. Die Tochter von Nicholas Beit. Ida erinnerte sich an ihre stattliche Erscheinung und ihre mangelnde Geduld. Wie mochte sie zu dieser Einquartierung stehen?
Ida grübelte, bis sie Chris Fenroy von einem der Ställe aus auf Karl und sein Gefolge zukommen sah. Zumindest nahm sie an, dass es Fenroy war, sie erinnerte sich nicht mehr genau an ihn, schließlich hatte sie ihn nur ein- oder zweimal kurz im Laden der Partridges gesehen. Karl und Chris dagegen schienen gute Freunde zu sein. Karl sprang sofort vom Pferd, und die beiden umarmten einander herzlich.
»Karl, du siehst gut aus!« Chris Fenroy hielt seinen Freund auf Armeslänge von sich und strahlte ihn an. »Verwegen, der reinste Trapper! Die Nordinsel hat dir gutgetan und das Reisen auch!«
Karl betrachtete Chris ebenfalls lächelnd, obwohl er das Kompliment nicht ehrlich erwidern konnte. Chris hatten die Ehe und
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