Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
ich gern auf eigenem Land!«
Chris verdrehte die Augen, dann lächelte er sardonisch. »Also schön, Ottfried«, sagte er gelassen. »Ich habe da eine Urkunde, unterschrieben von John Nicholas Beit. Demnach gehört mir hier einiges an Land. Ein Drittel davon können Sie gern haben. Aber bitte vorerst nur auf dem Papier. Was die Bewirtschaftung angeht, so machen wir es, wie Karl vorschlägt. Das bewährt sich. Auf der Nordinsel, bei den Redwoods und bei den Deans.«
»Und wir werden uns alle brüderlich lieben«, bemerkte Karl, als er Brandy auf dem Rückweg neben Chris’ Stute lenkte. Ottfried sprengte schon voraus, beflügelt von der Aussicht auf sein neues Land. »Wie war das noch mit Kain und Abel? Wer hat da angefangen, den anderen zu betrügen? Gib’s zu, deine Urkunde von Beit ist das Papier nicht wert, auf dem sie ausgestellt ist!«
Chris grinste. »Zumindest nicht in den Augen der Maori. Was die pakeha angeht, kann Ottfried ja Klage führen beim Gouverneur. Wobei ich bezweifle, dass der ihm eine Streitmacht schickt, um seine Ansprüche durchzusetzen. Ich werde auch sehr vorsichtig formulieren und mich ausdrücklich auf die Urkunde von Beit beziehen, wenn ich euch das Land überschreibe, damit mir keiner einen Strick drehen kann, wenn Te Haitara es mir am Ende doch noch regulär verkauft.«
»Uns?«, fragte Karl.
Chris nickte ernst. »Aber sicher. Wenn Ottfried einen Anteil von Fenroy Station bekommt, dann du natürlich auch. Das muss alles seine Ordnung haben.«
Karl lachte schallend. »Du bist so großzügig, mein Bruder! Ottfried hat allerdings Recht. Die Farm kann dann nicht mehr Fenroy Station heißen. Wie nennen wir sie denn jetzt? Paradise Station? Oder gleich Garden of Eden?«
Karakia toko
Canterbury Plains, Port Cooper
1846
KAPITEL 1
Ottfried nahm Ida genauso triumphierend wieder in Besitz, wie sein vermeintliches neues Land. Er trank noch etwas mit seinen widerstrebenden neuen Geschäftspartnern und bezog dann »sein Haus«, von dem er sich allerdings etwas enttäuscht zeigte.
»Wir werden auf unserem eigenen Grund ein neues bauen, Ida«, verkündete er, nachdem er die einfache Hüttenkonstruktion in Augenschein genommen hatte. »Wie in Sankt Paulidorf. Hier haben wir viel mehr Land und weniger Arbeit! Die Schafe versorgen sich ja praktisch allein. Das war mal eine gute Idee von diesem Karl Jensch. Aber mit der Arbeit haben es die Jenschs ja nie gehabt, deshalb kamen sie auch zu nichts.«
Schließlich befahl er Ida in ihr Schlafzimmer und spedierte die Wiege mit den Kindern in die Küche, als Carol und Linda sofort zu schreien begannen. Ida fragte sich, ob die Kleinen ihre Anspannung und Angst genauso spürten wie Chasseur, und horchte die ganze wie immer schreckliche Nacht mit Sorge und Schuldgefühlen auf ihr Weinen. Doch wenigstens über den Hund brauchte sie sich keine Gedanken zu machen, der war Cat gleich nachgelaufen, als sie sich zum Schlafen in den Stall begeben hatte. Stattdessen dachte sie mit einer Mischung aus Sorge und Hoffnung an Karl. Auch er schlief irgendwo in einem der Ställe – vielleicht gar nicht so weit fort. Wenn er nun vielleicht hörte, wie Ottfried sie nahm, wenn er die Schreie vernahm, die sie mitunter nicht unterdrücken konnte … Würde er kommen? Versuchen, sie zu retten?
Ida wusste, dass dies eine verrückte Idee war. Carol und Linda machten sehr viel mehr Lärm, als Ida selbst sich je gestattet hätte, und ihr Weinen drang offenbar nicht bis in den Stall. Cat wäre sonst gekommen, um sich um die Kinder zu kümmern. Es war jedoch ein tröstlicher Traum, sich Karl als ihren Retter vorzustellen, der Ottfried von ihr wegriss und sich selbst an seine Stelle legte. Ida schämte sich für ihre Gedanken, und dachte dann doch in den schmerzlichsten Augenblicken an Bahia und an Karls Kuss.
Cat hatte sich nicht zu den Pferden, sondern in den weiter entfernten Kuhstall verzogen, um nicht mit Karl zusammenzustoßen. Der sollte schließlich nicht meinen, sie wollte etwas von ihm. Dabei wälzte sie düstere Gedanken. Sie würde Fenroy Station jetzt wirklich verlassen müssen. Schließlich konnte sie nicht ewig im Stall nächtigen und die unglaubwürdige Rolle als Brandmanns Magd spielen. Jane würde sich bald die Frage stellen, warum sie blieb – und sie mochte über genug Intuition verfügen, um zu erahnen, dass Linda der Grund war. Zudem fürchtete Cat weitere Übergriffe von Ottfried oder auch nur seine dummen Prahlereien. Wenn er zu viel Whiskey getrunken
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