Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Schon nach wenigen Tagen tauschte sie sich mit ihnen über Heilkräuter aus und lud ein paar junge Frauen dazu ein, vorbeizukommen und zu lernen, wie man ein Schaf molk. Karl hatte seinen ersten Pachtzins in Gestalt eines hübschen Mutterschafes und seiner zwei Lämmer bereits entrichtet, doch bisher traute sich noch keine der Maori-Frauen so recht an die Tiere heran.
»Aber insgesamt zeigen sie viel Geschick«, vertraute Ida Karl an, nachdem sie mit den Mädchen gearbeitet hatte. »Also im Umgang mit den Tieren. Und sie sind auch sonst freundlich. Das hätte ich gar nicht gedacht, mit diesen moko sehen sie so furchterregend aus.«
Karl bemerkte belustigt, dass sie moko sagte statt Tätowierungen. Sie orientierte sich an Cat und sprach ihre ersten paar Worte Maori.
»Furcht wollen wohl nur die Männer erregen«, meinte er. »Bei den Frauen sollen die moko daran erinnern, dass die Götter ihnen den Atem des Lebens eingehaucht haben. Achte mal darauf, sie sind nur um den Mund herum tätowiert.«
»Das mit dem Atem des Lebens war doch Adam!«, wandte Ida erschrocken ein. »Eva wurde aus seiner Rippe geschaffen.«
Karl lachte. »Die Maori sind anderer Ansicht – und Gott hat sie bislang nicht dafür gestraft. Wie sieht es mit dem Ablammen aus? Sind wir da bald durch? Dann könnten wir die Herde nämlich auf die fetteren Weiden abseits vom Haus treiben und nur deine Milchschafe hierbehalten.«
Ida gab eifrig Auskunft. Es gefiel ihr, Seite an Seite mit Karl zu arbeiten, zumal er stets freundlich zu ihr war und sie niemals tadelte oder anschrie wie Ottfried. Er zog sie auch gern hinzu, wenn er die Schafe umtrieb oder sonst etwas tat, wozu ein Hund gebraucht wurde, denn nach wie vor hörte Chasseur am besten auf Ida. Karl beobachtete, wie viel glücklicher die junge Frau in den wenigen Tagen, die sie mit ihm auf Fenroy Station verbrachte, geworden war. Sie ging auch wieder auf die Jagd und begann, jeden Mittag für die Männer zu kochen.
»Ich hoffe bloß, Jane hat nichts dagegen«, meinte sie schüchtern, als nicht nur Karl und die beiden Maori-Helfer heißhungrig über ihren Kanincheneintopf herfielen, sondern auch Chris. »Kocht sie nicht für Sie, Chris?«
Chris schüttelte den Kopf. »Die Köchin bereitet am Abend etwas zu. Mittags gibt es höchstens Reste oder ein Sandwich. Jane kocht nicht selbst.«
»Was tut sie dann den ganzen Tag?«, wunderte sich Ida.
Chris zuckte die Schultern. »Lesen, schreiben … Sie lernt auch Maori, und sie ist oft beim Stamm drüben und beaufsichtigt die Manufaktur.«
Cat lachte. »Womit sie die tohunga zur Weißglut bringt. Ich habe da schon einiges gehört. Aber der Häuptling steht hinter ihr, und die Ergebnisse sind beeindruckend. Der Stamm wird reich werden.«
»Geld ist nicht alles«, brummte Chris und nahm sich noch einmal Eintopf. »Ich schicke Ihnen morgen die Köchin her, Ida, von Ihnen wird sie Ratschläge annehmen.« Er stand auf und hob die Hände zu den Geistern. »Ich ernenne Sie hiermit zur tohunga , Ida Brandmann. In Bezug auf Kaninchen macht Ihnen niemand auf dieser Insel etwas vor. Hilfst du mir jetzt am Schafpferch, Cat?«
Cat arbeitete ebenso glücklich und harmonisch mit Chris zusammen wie Ida mit Karl. Keiner von ihnen sprach darüber, aber diese wenigen Tage vor Ottfrieds Ankunft hatten für sie alle einen Zauber, den sie genossen, ohne ihn zu hinterfragen. Karl scherzte mit Ida, und sie schlug die Augen nicht mehr nieder, wenn sie mit ihm sprach. Chris berührte manchmal wie versehentlich Cats Hand, und sie zog sie nicht mehr unwillig zurück.
Jane suchte keinen Kontakt zu einer der beiden Frauen. Sie war weder eifersüchtig auf ihre harmonische Zusammenarbeit mit den Männern noch neidisch auf ihre außergewöhnliche Schönheit, die beide jetzt wiedergewannen, nachdem sie sich endlich von den Strapazen der Reisen und der harten Arbeit, der Geburten und der Sorgen erholten. Cat tanzte leichtfüßig über den Hof, das hüftlange blonde Haar zum Zopf geflochten oder offen wie ein Maori-Mädchen. Und auch Ida legte die strenge Tracht der Altlutheraner wieder ab und wirkte unwiderstehlich, wenn sich dunkle Haarsträhnen aus ihrer flüchtig aufgesteckten Frisur lösten. Jane beobachtete das ungerührt. Ihr waren auch die Blicke der Männer egal, die wohlgefällig auf den jungen Frauen ruhten.
Das alles wäre kein Grund gewesen, sich nicht mit Ida und Cat anzufreunden, aber Jane konnte weder mit der häuslichen Ida noch mit der praktisch veranlagen Cat
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