Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
es mit den Weißen hieltest, und jetzt erzürnst du die Weißen, weil du es mit uns hältst? Bist du ein Wanderer zwischen den Stämmen, der nicht weiß, wohin er gehören will?«
Cat seufzte, sie musste sich jedoch auch ein Lächeln verkneifen. »Du sagst es ganz richtig, ariki , ich bin ein Wanderer zwischen den Stämmen. Aber ich habe Chris nicht erzürnt. Das dürft ihr nicht glauben! Chris und Karl haben nicht das Geringste dagegen, dass Ida und ich euch zeigen, wie man Wolle und Milch verarbeitet. Chris ist euer Freund! Nur … er …« Sie sah zu Boden. »Ich möchte nicht mehr für ihn arbeiten, weil er mich lüstern ansieht.«
Im Ältestenrat erhob sich aufgebrachtes Murmeln.
»Hat er dir Gewalt angetan?«, fragte Makutu.
Cat schüttelte den Kopf. »Nein, nein, das nicht. Er ist ein guter Mann. Allerdings …«
Te Haitara runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob ich dir das glauben kann«, meinte der Häuptling. »Chris Fenroy hat eine sehr schöne Frau. Eine Frau mit viel mana . Eine Frau, um die ihn jeder beneiden würde. Warum sollte er dich lüstern ansehen?«
Cat erkannte, dass Jane Fenroy in dem Häuptling einen Verehrer hatte, und hob resignierend die Hände. »Auch auf Hawaiki wird es viele sehr schöne Frauen gegeben haben«, sagte sie, »aber Kupe wollte Kura-maro-tini. Ihr wisst, wie es enden kann, wenn sich Menschen von ihren Begierden beherrschen lassen.«
»Auch Kura-maro-tini wollte Kupe«, meinte Makutu und musterte Cat prüfend.
Cat nickte. »Das kann die Dinge schlimmer machen«, stimmte sie vage zu.
Über das faltige Gesicht der alten tohunga zog ein anerkennendes Lächeln. »Ich stimme dafür, dass Poti bleibt«, sagte sie. »Sie kann uns nützlich sein. Sie spricht unsere Sprache und die der pakeha . Sie kann unsere Sache vertreten vor Ca-pin-ta.«
»Vor wem?«, fragte Cat, der Häuptling unterbrach sie jedoch.
»Jane Fenroy vertritt uns vor Ca-pin-ta!«, erklärte er scharf.
Cat erschrak. »Ich will Jane Fenroy auf keinen Fall im Weg stehen. Das ist wirklich das Allerletzte, was ich will!«
Ein paar der Frauen lachten, bis Makutu sowohl ihnen als auch Cat und dem ariki Schweigen gebot. »Einer der unseren sollte unsere Sache vertreten«, sagte sie. »Und Poti ist mehr eine der unseren als Jane. Ich habe mit ihr karakia gesungen, sie kennt mehr Gebete als nur das zu den Göttern des Geldes. Und sie kann unseren Kindern Englisch beibringen. Dann brauchen wir bald gar keinen Fremden mehr, der für uns spricht.«
Der Häuptling schürzte die Lippen und dachte einen Moment nach. »Gut«, sagte er schließlich. »Sie soll bleiben. Aber sie spricht nicht für uns zu Ca-pin-ta. Sie wird den Kindern Englisch beibringen und lesen und schreiben und rechnen.«
»Ich kann nicht rechnen«, warf Cat ein. »Also nicht sehr gut.«
Das stimmte. Natürlich hatte sie schon als Kind gelernt, Geld zu zählen und dabei einfachste Rechnungen vorzunehmen. Aber in keinem der Bücher, die Cat gelesen hatte, seit sie wieder bei den pakeha war, hatten Erklärungen darüber gestanden, wie man etwa schriftlich multiplizierte oder teilte. Wenn Ida die Einkünfte für ihre Küche im Pub mit Paddy abgerechnet hatte, hatte Cat niemals folgen können.
»Dann lern es!«, fuhr der Häuptling sie an. »Jane Fenroy sagt, wir alle müssten es lernen, es sei das Wichtigste überhaupt!«
Die alte tohunga schüttelte unglücklich den Kopf. »Nein, ariki . Das Wichtigste …«
»… sind die Menschen!«, vervollständigte Cat.
Die alte Frau sah sie an. »Wir werden uns gut verstehen«, sagte sie ernst.
Cat konnte nicht umhin, an Chris zu denken, als sie am Abend ihre Schlafmatte im Gemeinschaftshaus der Ngai Tahu auseinanderfaltete. Einerseits fühlte sie sich wie zu Hause, als sie den Neckereien und Plaudereien lauschte, die ihre neuen Stammesgenossinnen tauschten, bevor sie sich endgültig niederlegten, andererseits sehnte sich jede Faser ihres Körpers danach, die Nacht mit Chris zu wiederholen, ihn zu lieben und dann in seinen Armen einzuschlafen.
Um sich abzulenken, lauschte sie auf die Gespräche um sich herum. Sie hatte sich im Schlafbereich der jungen, noch unverheirateten Frauen niedergelassen und hörte zu, wie die Mädchen über die Kleiderstoffe und bunte Ketten schwatzten, die sie sich sehr bald kaufen wollten. Und immer wieder fiel dabei der Name, über den Cat sich zuvor schon gewundert hatte.
»Reka«, fragte sie schließlich das Mädchen neben sich, »wer ist Ca-pin-ta?«
KAPITEL
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