Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
wandte Karl ein.
Chris zuckte die Schultern. »Aber zum Wohle der Welt. Tja, und wenn ich mir Jane so angucke – in diesem Fall ist es zweifellos im Sinne der Ehegattin!«
»Und in deinem ja wohl auch.« Karl lächelte und winkte Cat, die zwischen den Frauen stand. »Hast du schon mit Cat gesprochen? Wie steht sie zu dieser Zeremonie?«
»Wann sollte ich denn mit ihr gesprochen haben?«, fragte Chris zurück. »Zwischen heute Mittag und heute Abend? Ich weiß doch selbst noch gar nicht, wie mir geschieht.«
Cat lächelte den Männern kurz zu und schloss dann gemeinsam mit den anderen jungen Frauen einen Ring um Jane, die sie wieder in die Gemeinschaft der unverheirateten Frauen und Mädchen aufnahmen. Makutu sprach noch einige karakia , dann wurde gesungen. Und schließlich verkündete der Häuptling, es gebe Essen und Whiskey für alle im Dorf, und die Gesellschaft zerstreute sich rasch.
»Das ging ja schnell«, wunderte sich Karl.
Chris zuckte die Schultern. »Eine Trauung geht ja auch schnell«, meinte er. »Drei Worte, und man ist verheiratet. Nur dass die Trauung allgemein anerkannt ist, während das hier in den Augen der restlichen Welt absolut nichts bedeutet.«
»In der Welt der pakeha bedeutet es nichts«, berichtigte Karl. »Aber für die Maori-Stämme ist es amtlich. Nach ihren Regeln wird Jane den Häuptling heiraten, und du nimmst Cat.« Er lächelte Jane zu, die strahlend neben Te Haitara stand und offenbar Glückwünsche der anderen Stammesmitglieder entgegennahm. Sie wirkte so gelöst und zufrieden, wie er sie nie zuvor erlebt hatte. »Himmel, Chris, in Auckland wird kein Hahn danach krähen! Wo kein Kläger, da kein Richter. Und wer sollte sich auch daran stoßen? Die alten Beits sind in Australien – wie viel Jane ihnen von all dem hier mitteilen will, muss sie selbst wissen. Letztlich hat sie die Scheidung gewollt, nicht du. Die Maori, unsere direkten Nachbarn, erkennen die Zeremonie sowieso an. Und die paar pakeha , die wir kennen, die Redwoods und die Deans und die anderen Schafzüchter, das sind doch auch keine Frömmler! Die freuen sich eher für dich, wenn du mit Cat glücklich wirst, und Jane gönnen sie ihren Te Haitara. Also nimm das hier einfach hin und betrachte es als göttliche Fügung!«
Chris biss sich auf die Lippen. Vielleicht hatte Karl Recht. In diesem neuen Land galten andere Regeln. Doch letztlich würde alles davon abhängen, wie Cat es sah.
Rata Station
Canterbury Plains
1846
KAPITEL 1
In den nächsten Wochen fand Chris keine Zeit, in Ruhe mit Cat zu sprechen, und erst recht nicht dazu, förmlich um sie zu werben. Die Schafe lammten eins nach dem anderen ab, und Cat und Ida, Chris, Karl und meist sogar Ottfried waren rund um die Uhr damit beschäftigt, sich um das Wohlergehen der Muttertiere und ihrer ein bis zwei staksigen, blökenden Lämmer zu kümmern. Immer wieder gab es auch Waisenkinder oder Lämmer, die von ihren Müttern verstoßen wurden. Ida sammelte sie in einem Verschlag in ihrer Küche, während Cat und die anderen Maori-Frauen sie wie eigene Kinder herumtrugen – sie hielten sie unter ihren Jacken und Mänteln warm. Carol und Linda wurden bei all dem Trubel sehr rasch der Milchflaschen entwöhnt, an denen sie bislang noch zum Einschlafen genuckelt hatten – und kicherten, als Ida die Fläschchen nun für die Lämmer füllte. Linda hielt sie mit Idas oder Cats Hilfe den kleinen Tieren zum Trinken hin. Sie war sehr fürsorglich und geduldig, während Carol sich mehr für die Hundewelpen interessierte – eine von Ottfrieds Colliehündinnen hatte geworfen.
»Alle meins!«, erklärte Carol entschlossen und patschte in das Gewusel der Wurfkiste. »Alle mit, Ssssafe hüten!«
Unverhofft schnell traf auch die Schafschererkolonne aus Australien ein. Die fünf Männer mussten gleich das nächste Schiff genommen haben, nachdem Janes Brief den Schafzüchter erreicht hatte, bei dem sie gerade arbeiteten. Wie geplant begannen sie auf der Banks-Halbinsel mit dem Scheren der Südinsel-Schafe und brauchten nur unvorstellbare zehn Tage für die Schur sämtlicher Tiere der Redwoods und der Deans. Kurze Zeit später brachen die verwegen wirkenden Männer über Fenroy Station herein und erfüllten die Farm mit Gelächter, deftigen Witzen und dem Lanolingeruch der Scherschuppen. Mit klappernden Scheren befreiten sie die Schafe schneller von ihren Vliesen, als Chris, Karl und die Maori-Helfer ihren Bewegungen folgen konnten. Schließlich baten sie die Männer, am
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