Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Grenzen. Ich tue ja alles für dich, doch Ottfried … Wie kann jemand so undankbar sein? Wir haben ihn aufgenommen, als ihm das Wasser bis zum Hals stand. Und jetzt erzählt er uns nicht mal was von seinen Verkaufsabsichten!«
»Er sagt, Chris habe ihm auch nicht alles erzählt. Von dem Land. Na ja, und er hat ihn ja wirklich ein bisschen … genarrt, als er ihm ein Drittel der Farm überschrieben hat, obwohl die ihm gar nicht gehörte.« Ida fühlte sich nicht wohl dabei, Ottfried zu verteidigen, aber vielleicht war Chris tatsächlich zu weit gegangen.
»Trotzdem«, beharrte Karl. »Ich habe ein schlechtes Gefühl dabei. Zumal es gerade die Schafe sind, die er angeblich vom Markt in Nelson hat. Während ganz ähnliche Tiere fast gleichzeitig bei den Redwoods weggekommen sind. Sieht verdammt aus, als wollte er sich derer entledigen.«
Er setzte sich und legte den Arm um Ida. »Ida, mir gefällt das alles nicht. Und wenn Ottfried jetzt womöglich wegwill – du kannst nicht mitgehen, Ida! Du musst dich entscheiden. Für mich!«
Ida schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, Karl, so ist es nicht! Also, Ottfried ist ja nun kein, kein guter Mensch, glaube ich … Aber er ist auch kein Dieb! Er will die Schafe nicht irgendwohin verkaufen. Die sollen schon hierbleiben. Nur nicht bei uns. Er will sie Te Haitara geben. Im Tausch gegen sein Pachtland.«
Karl stand wieder auf. Die Konsequenzen dieses Handels machten ihm zu schaffen, und er hatte von jeher besser denken können, wenn er sich bewegte.
»Dann will er also hierbleiben, Ottfried …«, überlegte er.
Ida nickte. »Das ist gut, nicht?«, fragte sie leise. »Dann muss ich nicht …«
Karl seufzte. »Gut und schlecht«, murmelte er. »Natürlich freue ich mich, dass er nicht plant, dich nach Australien zu entführen. Doch letztlich schiebt es die Entscheidung nur hinaus – und es wird schwerer, sich zu trennen, wenn Ottfried hier erst mal Eigentum hat. Wir können ihn nicht unser Leben lang betrügen, Ida – und ebenso wenig Haus an Haus mit ihm leben! Es ist ja nicht wie bei Chris und Jane. Ottfried wird dich behalten wollen. Er wird eine Scheidung nach Maori-Brauch nicht anerkennen.«
»Die erkennt doch keiner an«, murmelte Ida. »Vor Gott kann ich nicht frei werden.«
Karl ließ Gottes Rolle bei der Scheidungsangelegenheit unkommentiert. »Du könntest hierbleiben, wenn Ottfried ginge, oder Ottfried könnte bleiben, und du gingest weg mit mir«, führte er stattdessen aus. »Aber was soll’s, das habe ich dir oft genug vorgebetet!« Karls Stimme klang jetzt zornig, seine Geduld kam langsam an ihre Grenzen. »Du hast einfach keinen Mut. Und irgendwann kann das blutig enden, das weißt du!«
Ida biss sich auf die Lippen. In der Nacht nach dem ausgelassenen Fest mit den Schafscherern hatte Ottfried sie wieder geschlagen. Vor Karl und Chris hatte sie die Blutergüsse an ihrer Wange mit dem Hufschlag eines Mutterschafes beim Melken erklärt. Offenbar ahnte Karl ja zumindest die Wahrheit.
»Schimpf nicht mit mir«, sagte sie leise. »Lieb mich lieber. Es ist so ein schöner Tag. Es ist warm, und das Land hier … Wir können uns vorstellen, es wäre ein Strand.«
Tatsächlich war das Flussufer an dieser Stelle sandig, und unter den Nikau-Palmen war es leicht, sich in die Karibik zu träumen.
Karl zwang sich zur Ruhe und zog Ida in seine Arme. »Ich will ja nicht schimpfen«, flüsterte er. »Aber du musst endlich raus aus Bahia! Bevor Ottfried dich zurück nach Raben Steinfeld katapultiert!«
Chris hörte mit gemischten Gefühlen von Ottfrieds Verkaufsplänen. Er hatte am Tag zuvor mit Cat gesprochen – und nicht nur gesprochen! Jetzt, da die Sache zwischen ihm und Jane geklärt war, hatte sie ihm wie selbstverständlich wieder die Lippen zum Kuss geboten, derweil die Scherer im Maori-Dorf an die Arbeit gingen. Sie war in Richtung Fenroy Station neben ihm hergegangen, und sie hatten geredet, und schließlich hatten sie sich zwischen den Rata-Büschen geliebt. Ein Bett aus Blüten und Gras, Cat und Christopher schwelgten in Duft und Wärme und freuten sich am Anblick ihrer Körper im Sonnenschein. Keiner von ihnen würde noch einmal leugnen, dass sie füreinander geschaffen waren. Aber die Beziehung offiziell zu machen lehnte Cat ab. Sie wollte nicht heiraten, auch nicht nach dem Ritus der Einheimischen, und sie wollte keine Teilhaberschaft an Chris ’ Farm. Dazu hätte sie den Maori ihre Schafe wieder wegnehmen müssen, und das erschien ihr
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