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Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Titel: Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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der Kälte und Nässe im Zwischendeck. Als die ersten Kinder zu husten begannen und ein kleiner Junge an Lungenbrand starb, waren sie sehr erzürnt.
    Karl tröstete sich damit, dass die Zustände an Bord vorübergehend sein sollten. Bald, so hatten ihm die Matrosen versichert, werde das Schiff den Golf von Biskaya erreichen und das Wetter werde sich beruhigen. Dann werde es auch wärmer …
    »Zu warm!« Einer der Seeleute lachte. »Warte ab, in ein paar Wochen klagt ihr über die Hitze!«
    Karl konnte sich das kaum vorstellen, war aber bereit, den Männern zu glauben, die diese Route zum Teil bereits mehrmals befahren hatten. Er hielt sich weiterhin von den Mitreisenden fern und vertrieb sich die Zeit mit seinen Englischstudien. Längst konnte er sämtliche Redewendungen aus seinem Büchlein auswendig, nun begann er, Worte, die ihm wichtig erschienen, nachzuschlagen und zu lernen. Er brannte darauf, seine Sprachkenntnisse an einem Menschen zu erproben, und suchte zunächst in den Freistunden einen Ansprechpartner. Das gestaltete sich jedoch schwierig. Die Erste-Klasse-Passagiere – Karl nahm an, dass zumindest John Nicholas Beits Familie des Englischen mächtig war – mischten sich schließlich nicht unters Volk, sondern blieben in ihren Unterkünften, wenn die Leute aus dem Zwischendeck herausdurften. Lediglich die Missionare bekam man mal zu Gesicht, sie boten an den Wochenenden Andachtsgruppen an. Karl wagte es schließlich, einen von ihnen, Pastor Wohlers, anzusprechen, doch auch der sprach kein Englisch.
    »Das ergibt sich dann schon, wenn wir im Lande sind, junger Mann!«, erklärte er hoffnungsvoll.
    Karl fragte sich, wie der Geistliche sich die Sache mit der Mission vorstellte. Die Eingeborenen würden kaum Deutsch sprechen. Wenn überhaupt, so konnte man ihnen allenfalls auf Englisch predigen. Aber vielleicht plante der Pastor ja auch, gleich die Sprache der Maori zu erlernen, die allerdings sehr fremdartig sein sollte, wie Karl seinem Buch entnahm. Karl jedenfalls musste zu anderen Mitteln greifen, um sein Englisch zu üben – auch wenn das bedeutete, die Regeln zu brechen.
    An einem schönen, ruhigen Morgen, an dem sich sogar ein paar Sonnenstrahlen durch die Luken ins Zwischendeck stahlen, erklomm er die Stiege zum Oberdeck und machte sich auf die Suche nach einem Gesprächspartner.
    Jane Beit hielt das Gesicht in die Sonne und genoss die Wärme, ohne dass dies ihre Stimmung wesentlich aufheiterte. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, jeden Morgen ein wenig auf dem Deck zu flanieren. Am besten ging das zur Frühstückszeit, dann konnte ihre Mutter nicht die großen Rationen monieren, die Jane sich holte, um ihre Langeweile und ihre Depressionen buchstäblich hinunterzuschlucken. Dabei wusste sie natürlich, dass es ihr nicht guttat, so viel zu essen, und sie nahm sich auch jeden Tag vor, das Frühstück durch diesen Spaziergang zu ersetzen. Hinterher war sie allerdings meist durchgefroren und erneut schlecht gelaunt, und Peter Hansen, der Butler, hielt dann gleich eine Tasse heiße Schokolade für sie bereit.
    Nun schien sich ja wenigstens das Wetter zu bessern. Vielleicht konnte sie demnächst mehr Zeit an Deck verbringen und musste sich dann weder die Streitereien ihrer Geschwister anhören noch die geistlichen Dispute, mit denen sich die Missionare die Zeit vertrieben. Ihr Vater schimpfte immerzu auf die nichtsnutzigen, liederlichen Siedler – ein Kind hatte man bereits verloren, und wenn sich die Zustände nicht änderten, konnte es zu Epidemien kommen, und noch mehr Menschen würden sterben. Der Arzt bestätigte das und riet zu schärferen Maßnahmen, die Leute zu Ordnung und Sauberkeit anzuhalten. Die Missionare baten dann Gott um Beistand und Einsicht bei den Menschen unter Deck.
    Auch die Oberdeckpassagiere fielen in die Gebete ein – aber Jane wusste genau, dass ihr Vater dabei nur an seinen Profit dachte. Was sie selbst anging, so hatten sich ihre Erwartungen bestätigt. Es gab nichts, absolut nichts mehr für sie zu tun, nachdem das Schiff erst mal abgelegt hatte. Sie war verdammt zu endloser Langeweile. Inzwischen ertappte sie sich schon dabei, interessiert nach Walen auszuschauen, die sich hier, dem Kapitän zufolge, öfter blicken ließen. Dabei waren ihr Wale vollständig gleichgültig – allenfalls empfand sie eine Art Hass auf sie, engte das Korsett aus Fischbein, das ihre Mutter sie selbst hier auf dem Schiff zu tragen zwang, ihren Körper doch zusätzlich schmerzhaft

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