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Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Titel: Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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eigentlich sein ganzer Körper. Stundenlang hatte er sich gemüht, sich auf dem schwankenden Boden aufrecht zu halten und den Inhalt der Eimer nicht zu verschütten.
    »Sieht so aus«, erwiderte er, schon um Ida zu trösten. »Ich kann versuchen, jemanden zu finden, der uns die Frage beantwortet. Aber das wird sicher dauern, die Matrosen sind ja alle beschäftigt. Soll ich … darf ich … dann wiederkommen?«
    Ida schüttelte bedauernd den Kopf. »Wenn es vorbei ist, wird es meinem Vater bald bessergehen. Und dann bekomme ich Ärger, wenn er dich hier sieht.«
    Karl lachte bitter. »Eigentlich sollte er sich wohl eher bedanken … Er meint sicher, ich sollte nicht hier sein, richtig? Und nicht nur hier bei dir …«, er wies auf die Gänge zwischen den Unterkünften der Familien, »… sondern gar nicht erst auf dem Schiff.«
    Ida nickte und schob sich eine Strähne ihres feuchten Haares aus dem Gesicht. Alles war feucht auf dem Zwischendeck, Karl spürte jetzt erst, dass seine Kleidung völlig durchnässt war.
    »Das meinen alle«, berichtete Ida leise und beinahe schuldbewusst. »Sie sagen, du hättest … du hättest den Platz verlassen, auf den Gott dich gestellt hat. Du hättest gegen die Ordnung verstoßen …«
    Karl sah ihr fest in die vor Anstrengung geröteten Augen, und auf Idas sonst blassen Wangen sah er rote Flecken. Ihr Haar hatte sich gelöst und stahl sich schweißfeucht unter der Haube vor, das fleckige Kleid hing nass an ihr herunter. Für ihn war sie dennoch unendlich schön. Und er wollte jetzt wissen, was sie dachte.
    »Aber ich habe um eine solche Gelegenheit gebetet«, bemerkte er. »Vielleicht hat Gott ja nur meine Bitte erhört.« Er trat vor sie und legte seine Hände leicht auf ihre Oberarme, als wollte er sie daran hindern, vor einer Antwort zu fliehen, wenn er jetzt seine Frage stellte. »Oder hätte ich um Demut beten sollen?«
    Ida antwortete nicht, doch ihr Gesicht spiegelte eine Vielfalt wechselnder Empfindungen wider. Sorge und Angst, Ergebenheit und Auflehnung.
    »Hätte ich dableiben und um Demut beten sollen, Ida?«, fragte Karl noch einmal, mit härter werdender Stimme.
    Ida schien sich befreien zu wollen, dann gab sie jedoch nach und schüttelte heftig den Kopf. »Ich bin froh, dass du da bist«, flüsterte sie hastig. »Und vielleicht … vielleicht habe ich ja auch für dich gebetet.«

KAPITEL 6
    In den nächsten Tagen beruhigte sich das Wetter etwas, zumindest kam es nicht wieder zu einem solch starken Sturm. Wassereinbrüche blieben allerdings an der Tagesordnung, dafür brauchte das Deck nicht vom Meer überspült zu werden. Es reichten heftige Regenfälle, und die gab es um diese Jahreszeit beinahe täglich.
    »Was wandert ihr auch mitten im Winter aus?«, meinte einer der Matrosen, bei dem Lange sich über die Unannehmlichkeiten beschwerte. »Der Atlantik ist schon im Hochsommer stürmisch, und jetzt … Ein Wunder, dass es nicht noch schlimmer ist!«
    Ida fand die Lage schlimm genug. Nach dem Sturm war das Zwischendeck nicht mehr abgetrocknet, auch ihre Kleider und die der Kinder trockneten nicht mehr, und sie zu wechseln war hoffnungslos, denn auch die Bündel mit den Habseligkeiten der Siedler waren nass geworden. Überall auf dem Zwischendeck stank es muffig und nach Fäulnis, besonders die überlaufenden Latrinen machten den Auswanderern zu schaffen. Lüften konnte man nicht, bei dem anhaltenden Regen mussten die Luken verschlossen bleiben. Die Leute murrten natürlich, und Beit machte die Sache noch schlimmer, indem er die Ordnungskräfte für die Zustände auf dem Zwischendeck verantwortlich machte. Mit rüden Worten tauschte er sie aus. Als es unter den neuen Leuten nicht besser wurde, ließ er die Rationen kürzen, vorgeblich, um die Siedler dafür zu bestrafen, dass sie nicht auf Ordnung und Sauberkeit in ihren Quartieren achteten. Lange protestierte im Namen der Raben Steinfelder und verlor daraufhin umgehend sein Amt in der Küche.
    Zum Ärger der Auswanderer verhielt Beit sich mehr und mehr wie ein Despot. Er stieß die Ordnungskräfte herum, setzte eigenmächtig Größe und Zusammensetzung der Essensrationen fest und beorderte junge Frauen in die Kabinen seiner Familie aufs Oberdeck, um diese zu säubern und der Zofe zur Hand zu gehen. Wenn die Mädchen zurückkehrten, berichteten sie atemlos von den komfortablen Unterkünften der Erste-Klasse-Passagiere, was den Unmut unter den Siedlern weiter schürte. Sie litten unter den kargen Mahlzeiten,

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