Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
geben würde.
»Komm jetzt, wir müssen die Strohsäcke herauftragen – damit sie endlich einmal trocken werden«, forderte Frau Brandmann streng.
»Ich kann gern helfen«, bot Karl sich an, Ottfrieds Mutter warf ihm jedoch lediglich einen strafenden Blick zu.
»Ida!«
Ida wagte nur, ihm scheu zuzunicken, bevor sie ihrer künftigen Schwiegermutter mit gesenktem Kopf folgte.
Und natürlich ereilte sie am Abend das Donnerwetter ihres Vaters. Er kam hinzu, als sie Franz eben zu Bett brachte und die ungestörte Zeit mit ihren kleinen Geschwistern nutzte, um auch ihnen die ersten Worte Englisch beizubringen. Elsbeth wiederholte die Wendungen eher gelangweilt, aber Franz war mit Feuereifer dabei.
»Good morning, Ida! Good afternoon , Elsbeth! Good night, Franz!« , plapperte er und wollte sich über den Gutenachtgruß an sich selbst schier kaputtlachen.
Jakob Lange lauschte mit gerunzelter Stirn. »Was soll das? Ida? Franz?«
Franz zog sofort den Kopf ein.
»Das ist Englisch, Vater«, erklärte Ida. »Das müssen wir lernen, wenn wir uns mit den Menschen in Neuseeland verständigen wollen. Karl Jensch hat es mir beigebracht …« Sie wollte Karls Namen lieber selbst ins Gespräch bringen, bevor ihr Vater ihr das Treffen mit ihm vorwerfen konnte.
»Ich habe schon gehört, dass du mit dem Kerl gesprochen hast!«, sagte Lange streng. »Obwohl ich es dir mehrmals untersagt habe, schon zu Hause … Und ganz abgesehen davon, dass er ein Dummkopf und Habenichts ist: Es schickt sich nicht für ein anständiges Mädchen, allein mit einem Mann zu reden. Du bist verlobt, Ida! Werde ich dich noch hier auf dem Schiff verheiraten müssen, um deinen Ruf zu wahren?«
Ida erschrak – und verstand gar nicht, warum sie bei dem Gedanken an die rasche Eheschließung mit Ottfried plötzlich fror. Eigentlich sollte sie sich doch darauf freuen – oder sich immerhin gleichmütig und demütig fügen. Aber selbst ihre Demut hatte Grenzen. Auf keinen Fall wollte sie die Ehe auf diesem Schiff, auf einem klammen Strohsack, im gleichen Bretterverschlag mit ihrem Vater oder gar mit Ottfrieds Familie, vollziehen! Den anderen jungen Paaren schien das nicht viel auszumachen – welche Gründe diese Frauen und Mädchen in eine so überstürzte Heirat trieben, konnte Ida sich nicht vorstellen.
Sie senkte den Kopf. »Nein, Vater. Verzeih mir, ich … ich habe nicht nachgedacht. Die Unterhaltung war gänzlich harmlos. Wenn sich solch eine Gelegenheit noch einmal bietet, werde ich Ottfried einfach dazubitten. Dem täte es ja auch gut, schon mal ein paar Worte Englisch zu lernen, bevor wir ankommen …«
»Unsinn!« Jakob Lange schnaubte. »Ottfried lernt das schon, wenn wir erst im Land sind. Sofern er es überhaupt brauchen wird … Letztlich werden wir ja doch ein eigenes Dorf gründen. Wir sind uns da alle einig, es wird Sankt Paulidorf heißen. Weil wir hier alle zu einer Gemeinde geworden sind. Und da sprechen wir natürlich die Sprache Martin Luthers, die Sprache der Bibel …«
Ida biss sich auf die Lippen. Hatte Martin Luther die Bibel nicht aus einer ganz anderen Sprache übersetzt?
»Aber die Obrigkeit …«, gab sie zu bedenken. »Auf den Ämtern wird man Englisch sprechen. Und die Kaufleute … Wir werden doch etwas einkaufen müssen …«
Lange winkte ab. »Natürlich wird man nicht umhinkommen, ein paar Wörter zu lernen«, räumte er ein. »Unsere Frauen müssen wir damit allerdings nicht behelligen. Oder bist du in Mecklenburg zum Fürsten gegangen, wenn etwas anlag? Hast du Pferde gekauft oder Ziegel bestellt?« Er lachte nachsichtig.
Ida rieb sich die Stirn. »Ich weiß nicht, ob wir Raben Steinfeld so einfach ans andere Ende der Welt verlegen können«, bemerkte sie, ungewohnt mutig. »Wir sind nicht mehr in Mecklenburg …«
Lange schüttelte jedoch den Kopf. »Lass das einfach meine Sorge sein«, beschied er seine Tochter. »Und die deines Ehegatten. Sobald uns Land zugeteilt ist, könnt ihr heiraten, Ottfried und du. Elsbeth wird nächsten Monat dreizehn, alt genug, mir den Haushalt zu führen. Und für dich wird’s Zeit zur Eheschließung, das wird dir die Rosinen aus dem Kopf treiben. Englisch lernen – womöglich besser als dein Gatte. So weit kommt das noch! Geh jetzt ins Bett und bete um Demut!«
Ida seufzte, als sie sich auf ihrem endlich einmal trockenen, allerdings immer noch muffig riechenden Strohsack ausstreckte. Darauf lief es also hinaus: Sie sollte die neue Sprache um Himmels willen nicht
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