Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Fürbitten und Wünsche mit bunten Drachen gen Himmel und ehrten die Götter durch Tänze und vielstimmigen Gesang. Cat fand schnell Gefallen an all dem und machte gern mit, als die gleichaltrigen Mädchen sie schließlich aufforderten, ihre Tänze und ihre Musikinstrumente zu erlernen.
Wie weit sie allerdings selbst an die Götter glaubte, war eine andere Frage. Im Stillen nahm Cat an, dass die Blüten des Rongoa-Strauches auch eine heilende Wirkung entfalten würden, wenn Te Ronga die Geister nicht um Erlaubnis bat, sie abzupflücken, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass wirklich etwas passierte, wenn man an Plätzen, die irgendjemand zu tapu erklärt hatte, entgegen den Geboten aß oder trank. Das Leben auf der Walfangstation und nicht zuletzt Reverend Morton hatten Kitten gründlich ernüchtert, und Cat hielt es nun mit Te Ronga so, wie sie es vorher mit Frau Hempelmann gehalten hatte: Sie achtete den Glauben der Frauen, sprach ihre Gebete und sang ihre Lieder, ohne je irgendetwas infrage zu stellen. Vor allem merkte sie sich all die nützlichen Dinge, die sie von Te Ronga lernen konnte. Die Häuptlingstochter war heilkundig, und Cat folgte ihr gern, wenn sie auszog, um Blüten und Wurzeln zu sammeln, aus denen sie dann Tränke und Salben herstellte. Sie hörte zu, wenn die Frauen ihr von ihren Leiden berichteten, und wunderte sich, wenn Te Ronga oft einfach nur einen Zauber anwandte und es der Patientin oder ihrem Kind schon besserging.
Nach kurzer Zeit wurde Cat klar, welcher Glücksfall es für sie gewesen war, von gerade dieser Frau adoptiert zu werden. Te Ronga war Mitglied einer Art Adelsfamilie, sie nahm als Tochter des Häuptlings eine hohe Stellung ein. Und auch ihrem Mann Te Rangihaeata gestand man bereits die Häuptlingswürde zu. Es hieß, er würde Te Rauparaha irgendwann beerben. Ihren Platz im Ältestenrat verdankte Te Ronga allerdings ihrer Stellung als tohunga und ihrer Weisheit. Der Rat entschied über Stammesangelegenheiten, hielt Gericht und beriet die Häuptlinge in Fragen des Landverkaufs und des Umgangs mit den pakeha . Te Ronga hatte darin großen Einfluss.
Cat wunderte sich nur am Anfang darüber, dass alle das selbstverständlich zu finden schienen. Später stellte sie fest, dass Frauen bei den Stämmen allgemein hoch geachtet waren – ob jemand über mana verfügte, war keine Frage des Geschlechts. Auch was dies anging, waren die Sitten bei den Maori gänzlich anders als bei den pakeha . So wäre zum Beispiel nie jemand auf die Idee gekommen, eine Maori-Frau für Liebesdienste zu bezahlen wie die Huren in der Piraki Bay, und es sah auch niemand auf ein Mädchen herab, wenn es kichernd mit einem jungen Mann, den es vielleicht gerade erst kennengelernt hatte, im Wald verschwand. Jede Frau im Stamm war ehrbar – sie musste dazu weder ehelich geboren worden noch verheiratet sein und schon gar nicht keusch.
Cat wusste es nicht genau, aber sie glaubte, dass sie die einzige unter ihren gleichaltrigen Freundinnen war, die noch nie einem Mann beigelegen hatte. Die anderen neckten sie oft deswegen, und manchmal musste sie sich gar anhören, dass sie wohl auf einen pakeha -Prinzen warte – was besonders unangenehm wurde, wenn die Mädchen ihr den nächsten Händler oder Missionar, der ins Dorf kam, mit zotigen Worten anpriesen. Die Männer verstanden das zum Glück selten – aber Cat reichten eigentlich schon ihre lüsternen Blicke, um peinlich berührt zu sein. Jeder der pakeha -Männer schien sie mit Blicken auszuziehen, und so versteckte sie sich in der letzten Reihe der Mädchen, wenn ihnen zu Ehren ein Begrüßungsritual stattfand.
Bei den powhiri pflegten die Töchter des Stammes in leichten piu piu , Röckchen aus gehärteten Flachsblättern, und knappen gewebten Oberteilen zu tanzen, einem Aufzug, der den Weißen als unschicklich galt. Wenn Cat zum Übersetzen gebraucht wurde, hüllte sie sich meist ganz in eine Decke, als fröre sie, und den Brauch der Maori-Frauen, im Sommer im Dorf ganz ohne Oberteil umherzulaufen, mochte sie auch nicht annehmen.
Dass sie von den Männern des Stammes nicht belästigt wurde, lag sicher daran, dass sie ihr mangelndes Interesse akzeptierten – aber ein weiterer Grund mochte darin liegen, dass Cat nach Maori-Maßstäben zu zart gebaut war. Vielleicht fanden die Männer auch ihre Haut zu hell, ihr Gesicht zu schmal … Cat wusste es nicht, und es war ihr egal. Sie suchte keinen Kontakt zu den jungen Kriegern, und auch eine Heirat lockte sie
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