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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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nach mir wirst du die heilige Frau des Stammes sein.“
    Die Alte schwieg eine Weile. Sie atmete tief und schwer.
    „Die Große Mutter ruft mich zu sich. Der Mächtige Bär wird nun aus deinem Mund sprechen.“
    Tochter des Bären erhob die Hände und wendete ihren Blick ab. Kar sollte schweigen und zu Ende hören, was sie ihr zu sagen hatte.
    „Ich habe dich vieles gelehrt. Aber es gibt etwas, von dem du nichts weißt.“
    Tochter des Bären ergriff eine knöcherne Schale mit einem dampfenden Gebräu, die vor ihren verschränkten Beinen auf dem Boden stand.
    „Trink!“
    Kar nahm die Schale und sah hinein. Rasch richtete sie ihren Blick wieder auf Tochter des Bären und trank in kleinen Schlucken. Den Argwohn, welchen sie dabei empfand, ließ sie sich nicht anmerken. Es fiel ihr nicht schwer, die Zutaten zu erriechen und zu schmecken. Trotzdem leerte sie das Gefäß, ohne auch nur ein einziges Mal dabei zu zögern. - Erneut füllte Tochter des Bären daraufhin die Schale und stellte sie vor sich auf den Boden.
    „Hör gut zu, was ich dir nun sage!“ fuhr sie mit heißer Stimme fort.
    „Es ist in dir! Du mußt die Stimme des Bären wecken!“
    Die Augen der Alten weiteten sich.
    „Fühle den Bären!“ stieß sie hervor. „Denke, du bist ein Bär! - Verwandle dich in ihn!“ In ihrer Stimme lag ein unterschwelliges Grollen. „Lerne es gut! - Niemals darfst du dabei einen Fehler machen!“
    Mahnend hob sie einen ihrer krummen Finger und sagte: „Lerne den Bären sprechen zu lassen, wann immer du es willst! Niemand aber darf glauben, daß du selbst den Bären weckst. - Denn der Bär erwacht, wann immer er es will!“
    Fassungslos, fast schon entsetzt, blickte Kar wie gebannt in die aufblitzenden Augen der greisen Schamanin.
    Tochter des Bären nickte verschwörerisch. Dann nahm sie wieder ihren üblichen, geradezu versteinerten Gesichtsausdruck an.
    „Du hast deinem Stamm noch keine Kinder geschenkt. Viele glauben, das sei ein schlechtes Zeichen. - Hüte dich vor Scharfer Zunge und seinem Sohn! - Laß den Bären sprechen, wenn die Zeit gekommen ist ...“
    Plötzlich blitzten ihre Augen auf und verengten sich zu schmalen Schlitzen.
    „ ...doch du mußt zum Wohl des Stammes handeln! - Versprich es mit deinem Blut!“
    Tochter des Bären streckte eine Hand nach Kar aus; in der anderen hielt sie eine Klinge. Kar blickte auf das Gebräu vor den Füßen der Alten. Sie roch jetzt eine Zutat, die vorher nicht enthalten war. Ein schwacher, leicht modriger Pilzgeruch machte sie misstrauisch. Tochter des Bären schien, ohne daß Kar es bemerkt hatte, dem Trank etwas beigemischt zu haben. Kar ahnte, was geschehen würde, wenn sie jetzt zögerte ... Schnell entschlossen legte sie ihren Arm in die Hand von Tochter des Bären. Die Alte fügte ihr einen tiefen Schnitt im Unterarm zu, so daß Kars Blut in schnellen Tropfen austrat. Nun schnitt sich Tochter des Bären selbst in den Arm – und preßte die beiden Wunden fest aneinander.
    „Jetzt wird ein Teil von dir mit mir ins Land der Verstorbenen gehen – und ein Teil von mir bleibt in dieser Welt.“
    Noch während sie Kars Arm an ihren drückte, stieß Tochter des Bären mit dem Fuß die Schale um. Dabei gab sie sich keine Mühe, es wie ein Versehen aussehen zu lassen. Die Geste hatte den Anschein einer Drohung – die über den Tod hinausgehen sollte ...
    Tochter des Bären ließ los.
    „Du wirst bald schlafen und träumen. Empfange den Mächtigen Bären!“
     
     
    Schwarzlocke hockte am Flußufer und sah gedankenversunken ins Wasser. Goldgelb glänzte das Laub der Bäume in der Abenddämmerung, ein kühler Wind wehte. Die letzten Strahlen der Sonne glitzerten und tanzten auf der Oberfläche des rauschenden Wassers, aber das Funkeln und Flimmern der Spiegelung störte ihn nicht, während er an einer schattigen Stelle hinab auf den dunklen Grund des Gewässers sah. Zorn und Gier brodelten in ihm. Zunehmend verspürte er den Zwang, endgültig handeln zu müssen. Gezögert hatte er nun lange genug. Die Zeit des Zweifelns war vorbei. - Als Jäger hatte er gelernt, geschickt vorzugehen und im Kampf den entscheidenden Moment zu nutzen. Er hatte genug Erfahrung, um zu wissen, daß auch der gefährlichste Gegner geschwächt und überlistet werden konnte. Dieses Mal wußte er lediglich noch nicht, wie er es anstellen sollte. - Schwarzlocke stand auf und kletterte den felsigen Hang zum Lager hinauf.
    Scharfe Zunge genoß gerade, nach dem Geschlechtsakt mit einer seiner

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