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Die Zeit der Hundert Königreiche - 4

Die Zeit der Hundert Königreiche - 4

Titel: Die Zeit der Hundert Königreiche - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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es ihn nur ein paar Minuten, die Sache zu erledigen und einen Unteroffizier abzustellen, der Meister Gareth und Varzil zur persönlichen Verfügung stehen sollte. Der Mann war ein Veteran, der viele Feldzüge unter Bard mitgemacht hatte und gar nicht auf den Gedanken kam, Bards Identität in Frage zu stellen. Er salutierte und sagte: »Wie der Lord General wünscht.« Bard dachte darüber nach, daß sein Vater Paul auf diese Welt geholt hatte, damit Bard praktisch an zwei Stellen gleichzeitig sein könne. Nun, so war es jetzt. Der Lord General, der eben gekrönte König, befand sich mit seiner frischgebackenen Königin in der königlichen Suite, und der Lord General war hier unten und gab im Feldlazarett Befehle.
Für meinen Vater war ich nur das Werkzeug zur Ausführung seiner ehrgeizigen Pläne!
Das hatte er sein ganzes Leben lang geglaubt. Aber jetzt erkannte er, daß es nicht wahr war. Denn lange bevor Dom Rafael di Asturien wissen konnte, ob aus seinem Sohn ein Soldat oder Staatsmann oder ein Laranzu oder ein dummer Tunichtgut werden würde, hatte sein Vater ihn seiner Mutter weggenommen und in seinem eigenen Haus großgezogen. Er hatte Unterricht in allen einem Mann anstehenden Künsten erhalten, die Lady war seine Pflegemutter gewesen, er hatte Pferde und Hunde und Falken gehabt. Ihm war die ganze Erziehung des Sohns eines Edelmannes zuteil geworden. Und dann hatte Dom Rafael sich der Gesellschaft seines Sohns, was sie auch wert sein mochte, beraubt, damit er am Hof mit Prinzen und Adligen als Pflegebrüder aufwachsen konnte. Ja, sein Vater hatte ihn selbstlos geliebt, er hatte nicht nur Nutzen aus ihm ziehen wollen. Und sogar die Mutter, die auf ihn verzichtet hatte - Bard blickte in das Morgenrot über den zerklüfteten Zähnen der Kilghardberge, wo gerade die große rote Sonne aufging. Er sah jetzt ein, daß auch seine Mutter ihn geliebt haben mußte. Sie mußte ihn genug geliebt haben, um ihr Kind herzugeben, damit es als Sohn eines Edelmanns erzogen werden konnte und es nicht nötig hatte, seinen Lebensunterhalt auf einem kargen Berghof zusammenzukratzen. Zum allerersten Mal in seinem Leben fragte er sich, ob diese unbekannte Mutter noch lebte. Seinen Vater konnte er nun nicht mehr fragen. Aber Lady Jerana mochte es wissen. Sie war auf ihre eigene Art
    freundlich zu ihm gewesen und wäre freundlicher gewesen, wenn er es erlaubt hätte. Wenn es sein mußte, würde er sich vor Lady Jerana demütigen und sie inständig . bitten, ihm zu sagen, wie seine Mutter hieß und wo in den Bergen sie wohnte, damit er vor ihr niederknien und sie dafür ehren könne, weil sie ihn genug geliebt hatte, um ihn seines Vaters Liebe zu überlassen.
Sein Blick verschleierte sich vor Tränen.
Ich bin geliebt worden, mein ganzes Leben lang, und ich habe es nicht gewußt.
Was ist los mit mir? Ich möchte immerzu weinen/ Ist das nur Laran, oder bin ich zu einem Schwächling geworden, zu der Art Mann, die ich immer verachtet habe?
Er würde sich an das, was mit ihm geschehen war, gewöhnen. Aber tief in seinem Inneren wußte er auch, daß er ein anderer Mann geworden war. Er wunderte sich über diesen neuen Mann, aber er schämte sich seiner nicht. Er schämte sich allein des Mannes, der er gewesen war, und dieser Mann war tot. Auf diesen früheren Bard brauchte er weder Schuld- noch Schamgefühle mehr zu verschwenden.
Er mußte Zeit finden, noch einmal mit Carlina zu sprechen. Das was zwischen ihnen stand, hatten sie noch nicht in Ordnung gebracht. Aber auch Carlina mußte sich jetzt der Lebenden annehmen, und der tote Bard konnte für sie nicht viel interessanter sein als für ihn selbst. Und so machte er sich, als die ersten Strahlen echten Tageslichts den Himmel erhellten, auf die Suche nach Paul Harrell und Melisandra.
    9
    Gegen Morgen hatte Varzil im Feldlazarett alles getan, was ihm möglich war, und Meister Gareth trotz seines Widerspruchs zur Ruhe geschickt. »Es macht keinen Unterschied, ob Ihr noch ein paar Stunden arbeitet!«
Meister Gareth erwiderte: »Auch Ihr habt die ganze Nacht gearbeitet und seid den ganzen gestrigen Tag geritten. Und Ihr seid auch nicht mehr jung, Dom Varzil! «
»Nein, aber jünger als Ihr, und das, was noch zu erledigen ist übernehme ich. Geht und ruht Euch aus! « Varzil richtete sich plötzlich zu seiner ganzen Höhe auf - sehr groß war er nicht - und benutzte die Befehlsstimme. Meister Gareth seufzte.
»Es ist lange her, seit irgendwer mich herumkommandiert hat, Sir, aber ich werde Euch

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