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Die Zeit der hundert Königreiche

Die Zeit der hundert Königreiche

Titel: Die Zeit der hundert Königreiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Lippen schlug, ein geschlagenes, gedemütigtes, um den Verstand gebrachtes Ding. Die Welt bestand aus Dunkelheit und seinem eigenen Schluchzen, als er mit Carlina das Entsetzen durchlebte, noch einmal genommen, noch einmal benutzt zu werden. Und er hatte an diesem Grauen Vergnügen gefunden … Befriedigung und das verächtliche Gefühl, daß sie nichts anderes verdiente …
    Aber das war noch nicht alles. Sein Laran war erweckt worden, und andere Erinnerungen, andere Wahrnehmungen fluteten über ihn hin. Er sah sich selbst mit Lisardas Augen, nackt, monströs, grauenerregend, wie er Gewalt und Schmerz austeilte … sah sich mit Melisandras Augen, hassenswerter Zwang und eine Lust, die Selbstverachtung erzeugte, das Entsetzen darüber, daß sie gedemütigt und für das Gesicht verdorben war, die Angst vor Strafe und den verächtlichen Redensarten Lady Jeranas und, noch schlimmer, vor Meloras Mitleid …
    Wieder stand er am Ufer des Sees des Schweigens, und eine Priesterin in einer dunklen Robe verfluchte ihn. Und dann trieben die Gesichter all jener auf ihn zu, die er getötet und geschändet hatte, und fraßen an seiner Seele. Er wand sich und heulte im Griff einer Selbsterkenntnis, die so tief war, daß nichts übrigblieb. Er sah sich als ein kleines, krankes, schändliches Ding … der elende Schurke, der du in Wirklichkeit bist … und er wußte, das war die Wahrheit. Er hatte tief in seine eigene Seele geblickt und sie schlecht gefunden, und von ganzem Herzen sehnte er den Tod herbei, als es weiterging … und weiterging … und weiterging …
    Dann war es vorbei, und er lag zusammengekrümmt und völlig erschöpft auf dem Fußboden. Irgendwo, eine Million Meilen entfernt, weiter fort als die Monde, nahm die rächende Avarra eine Matrix fort, und die Welt versank in gnädiger Dunkelheit.
     
    Stunden später begann die Finsternis sich aufzulösen. Bard regte sich, hörte eine einzige Stimme durch den Sturm von Haß und Beschuldigungen und Selbstverachtung, der ihn umtobte.
    Bard, ich glaube, du bestehst aus zwei Männern … und diesen anderen werde ich nie aufhören zu lieben …
    Melora, die ihn geliebt und geschätzt hatte. Melora, die einzige Frau, in deren Augen er sich nicht selbst vernichtet hatte.
    Sogar mein Bruder, sogar Alaric würde mich hassen, wenn er wüßte, was ich getan habe. Aber Melora kennt das Schlimmste von mir und haßt mich nicht. Melora, Melora …
    Halb betäubt zog er sich an. Er blickte zu Carlina hin, die in tiefer Erschöpfung auf dem Bett lag. Sie war sogar zu müde dazu gewesen, den schwarzen Mantel über sich zu ziehen. Immer noch trug sie das zerrissene, blutbefleckte Hemd, und ihre Augen waren wund vom Weinen und tief in die Höhlen eingesunken. Er betrachtete sie mit entsetzlicher Angst und dachte: Carlie, Carlie, ich habe dir niemals weh tun wollen; was habe ich getan? Voll Furcht, sie könne erwachen und ihn wieder mit diesen schrecklichen Augen ansehen, schlich er auf Zehenspitzen in den Flur hinaus. Melora! Er konnte nur noch einen Gedanken fassen. Er wollte zu Melora. Melora allein konnte seine Wunden heilen … Aber vor allen anderen Dingen war Bard Soldat, und sosehr er sich wünschte, die Treppe hinunterzueilen und auf sein Pferd zu springen, zwang er sich doch, die andere Richtung einzuschlagen und seine eigenen Räume aufzusuchen.
    Paul blickte entgeistert auf, als Bard eintrat. Er wollte sagen: Großer Gott, Mann, ich dachte, du hättest die Nacht mit deiner Frau verbracht, und du siehst aus, als hättest du in einer der Höllen Dämonen gejagt … aber der Blick in Bards Augen ließ ihn verstummen. Melisandra trat in einem Hausmantel ein, das Haar lose aufgebunden, rosig von ihrem Bad. Bard blickte zu ihr hin und gequält wieder weg.
    »Bard«, fragte sie mit ihrer süßen, wohllautenden Stimme, »was ist mit dir, mein Lieber? Bist du krank?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe kein Recht … kein Recht, dich zu bitten …« Die Heiserkeit seiner Stimme bestürzte und entsetzte Paul. »Doch … im Namen Avarras … du bist eine Frau. Ich bitte dich, zu Carlina zu gehen. Ich möchte nicht, daß … daß sie noch weiter gedemütigt wird, indem … ihre eigenen Mädchen sie … in diesem Zustand sehen. Ich …« Seine Stimme brach. Er hob die Hand und schnitt ihre weiteren Fragen ab, und Melisandra erkannte, daß dieser Mann völlig am Ende seiner Kräfte war.
    Bard wandte sich Paul zu und beschwor einen letzten Rest seines früheren Ichs herauf.
    »Bis ich

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