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Die Zeit der hundert Königreiche

Die Zeit der hundert Königreiche

Titel: Die Zeit der hundert Königreiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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zurückkehre … bis ich zurückkehre, bist du Lord General der Armee von Asturias. Es ist früher eingetreten, als wir dachten, das ist alles.«
    Paul öffnete den Mund zum Protest, aber bevor er sprechen konnte, war Bard aus dem Zimmer gestürzt.
    Als die Schritte seiner gestiefelten Füße verklangen, wandte sich Paul erstaunt und betroffen Melisandra zu.
    »Was, zum Teufel, ist los mit ihm? Er sieht aus wie der Zorn Gottes!«
    »Nein«, antwortete Melisandra, »wie der Zorn der Göttin. Ich glaube, daß er von Angesicht zu Angesicht dem Zorn Avarras gegenübergestanden hat und daß sie nicht sanft mit ihm umgegangen ist.« Sie schob Pauls Hand zur Seite. »Ich muß zu Lady Carlina gehen. Er hat mich im Namen der Göttin darum gebeten, und diese Bitte darf keine Frau und keine Priesterin jemals abschlagen.«

 
6
     
    Bard ritt allein, an sein galoppierendes Pferd geklammert, und auf dem ganzen weiten Weg nach Neskaya konnte er sich kaum im Sattel halten. Er war krank und erschöpft, Schmerz und Verzweiflung hämmerten in ihm wie die Hufschläge auf der Straße, und er wußte nicht, ob er seine eigene oder Carlinas Demütigung so quälend empfand. Die Schande versengte ihm die Seele. Er spürte Carlinas Schmerz, ihre Selbstverachtung, und wunderte sich darüber … Warum haßt sie sich für etwas, das ich ihr angetan habe? Doch er wußte, sie machte sich zum Vorwurf, ihn nicht gezwungen zu haben, sie vorher zu töten. Noch tiefer in sein Inneres hatte sich Melisandras sanfte Stimme gebohrt, als sie fragte: Bard, was ist mit dir, mein Lieber? Bist du krank? Wie konnte sie ihm verziehen haben, sie, der er das Gleiche angetan hatte wie Carlina? Und doch war ihre Besorgnis um ihn echt gewesen. Lag es nur daran, daß er ihren Sohn gezeugt hatte? Oder besaß sie eine Quelle des Trostes, die ihm unbekannt war? Als ich den Trost der Göttin nötig hatte, war ich jünger und unwissender, als du dir vorstellen kannst , hatte sie einmal zu ihm gesagt. Sie hatte ihren Schmerz überwunden oder doch zumindest überlebt. Aber in Carlina war alles frisch und roh, die Erinnerung an den Augenblick, als sie zu der Göttin aufgeschrien und erkannt hatte, daß die Göttin nicht eingreifen konnte oder wollte, um sie zu retten. Und dann traf die Göttin mich durch Carlina und rächte sie sie und alle anderen Frauen, die ich mißbraucht habe. Aber warum mußte Carlina leiden, damit die Göttin mich treffen konnte?
    Werde ich wahnsinnig?
    Er ritt den ganzen Tag, und als die Nacht kam, ritt er bei Mondlicht weiter, denn er konnte den Turm von Neskaya bereits über die Hügel aufragen sehen. Er hatte nicht angehalten, um zu essen oder sich auszuruhen oder aus sonst einem Grund, nur sein Pferd hatte er ein paar Minuten verschnaufen lassen. Jetzt fiel ihm ein, daß er den ganzen Tag weder Speise noch Trank zu sich genommen und wenig Schlaf gehabt hatte. Er stieg für kurze Zeit ab und gab seinem Pferd Hafer. Sein schwerer Mantel hielt den abendlichen Nieselregen ab, und nun klärte sich der Himmel auf, und das grüne Gesicht Iriels lugte blaß durch die zerfetzten Wolken.
    Sie beobachtet mich. Das ist das Gesicht der Göttin, die mich beobachtet.
    Ja. Ganz bestimmt wird sie wahnsinnig. Nein, ich bin es, der wahnsinnig wird . Aber unterhalb seiner Verzweiflung bemerkte eine kleine Stimme vernünftig, daß er nicht wahnsinnig wurde, daß es für ihn einen so gnädigen Fluchtweg vor dem Schmerz der Selbsterkenntnis nicht gab.
    Du wagst es nicht, wahnsinnig zu werden. Du mußt dich irgendwie zusammennehmen, damit du deine Untaten wiedergutmachen kannst
    … obwohl nichts, nichts das auslöschen kann, was ich getan habe …
    Wieso hatte ich genug Laran, um das alles zu sehen?
    Melisandra. Sie ist eine katalytische Telepathin.
    Warum hat Melisandra mir nie gezeigt, was Carlina mir zeigte? Sie hatte die Macht. War es das Mitleid mit mir, das sie zurückhielt? Und warum sollte sie Mitleid mit mir haben nach dem, was ich ihr angetan habe?
    Melora, Melora. Wenn er auch nur ein wenig Verstand gehabt hätte, wäre ihm an tausend kleinen Dingen aufgefallen, daß Carlina ihn nicht zum Mann und er sie nicht zur Frau wollte. Er hatte die Tochter des Königs heiraten wollen, damit sein Platz am Hof gesichert war. Aber warum hatte er so wenig Selbstvertrauen und Stolz gehabt? Ich habe immer geglaubt, mein Stolz sei zu groß. Aber alles, was ich tat, geschah aus dem Grund, daß ich das Gefühl hatte, nicht gut genug zu sein
    Doch er war der Nedestro -Neffe des

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