Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit der Katzenpfoten

Die Zeit der Katzenpfoten

Titel: Die Zeit der Katzenpfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
Vom Netzwerk:
Seltsamerweise war Taiko auf die Knie gesunken, und zum erstenmal erkannte Forrester, daß der Boden feucht war – nein, nicht feucht, schlammig. Ein dünner Schleim, aus zähflüssigem Schlamm strömte aus Öffnungen in den Wänden herein. Auch andere ließen sich nun in den Schlamm nieder; und vielleicht zum tausendstenmal, seit man ihn aus der Kühltruhe genommen hatte, wußte Forrester nicht, welches von zwei neu aufgetauchten Rätseln er zuerst zu lösen versuchen sollte. Was ging hier eigentlich genau vor? Und was, zum Teufel, meinte Adne mit ›unserem‹ Namen?
    Aber sie zerrte ungeduldig an ihm und glitt hinunter, um sich in der schleimigen Substanz zu wälzen. »Komm schon!« schrie sie. »Du machst es zwar nicht richtig, aber komm schon, verdammter Kamikaze.«
    Die ganze Zeit über wurde die Luft immer wieder neu mit dem Reizmittel versetzt, wenn es ein Reizmittel war, das für Forrester die Pforten der Wahrnehmung geöffnet hatte. Es ist wie LSD , dachte er, oder wie ein Super-Benzedrin: er sah ein ganzes neues Spektrum; hörte Fledermausschreie und subsonisches Gebrüll; roch, schmeckte, fühlte Dinge, die ihm vorher verschlossen gewesen waren. Er erkannte klar, daß er an einem organisierten Ritual teilnahm, verstand, daß es den Zweck verfolgte, die Lösung von Spannungen zu erreichen, indem man das sagte, was man im Grunde seines Herzens immer hatte sagen wollen, und das der äußere Zensor im Gehirn verboten hatte. Er konnte es nicht aufhalten! Er hörte zu, was er Adne sagte, und erkannte, daß er später, in einem nüchternen Augen blick, erschreckt sein würde. Aber er sagte es trotzdem.
    Und sie nickte ernst und zahlte es ihm in gleicher Münze heim. »Eifersüchtig!« kreischte sie. »Typisch manipulativer Besitzanspruch! Schmutzig und verkommen!«
    »Warum sollte ich nicht eifersüchtig sein? Ich habe dich geliebt.«
    »Haremsliebe!« höhnte Taiko neben ihm. Der Mann lag nun der Länge nach im Schlamm – der Schlamm stand jetzt mehrere Zentimeter hoch und schien nicht weiter anzusteigen. »Sie ist ein hirnloses Bündel von Leidenschaften, aber sie ist ein Mensch, und wie kannst du es wagen, sie besitzen zu wollen?«
    »Schwindler!« heulte Forrester. »Tu wenigstens so, als ob du ein Mann wärst! Schlag Maschinen in Stücke!« Er war wütend, aber in einem Teil seines Verstandes war er aufmerksam und analytisch genug, darüber überrascht zu sein, daß er sich nicht dazu getrieben fühlte, Taiko zu schlagen. Oder etwa auch Adne. Er fühlte sich nur dazu getrieben, verletzende Dinge zu sagen, so wahr und schmerzhaft, wie er sie sich nur ausdenken konnte. Er blickte sich um und sah, daß er als einziger noch auf den Beinen war. Die anderen lagen alle der Länge nach im Schlamm, krümmten sich und krochen herum. Forrester fiel auf die Knie. »Was soll dieser verdammte Unsinn überhaupt?« fragte er.
    »Halt die Schnauze und krabbel«, grunzte Taiko. »Treibe etwas von dem Tier in dir aus.« Und Adne stimmte ihm zu: »Du verdirbst es uns allen, wenn du nicht krabbelst. Man muß krabbeln, bevor man gehen kann.«
    Forrester lehnte sich zu ihr hinab. »Ich will aber nicht krabbeln!«
    »Du mußt. Hilft dir, die Schlacken loszuwerden. Die Geheimnisse, die wie Geschwüre in dir sitzen … Ihr Kamikaze möchtet natürlich gerne verfaulen.« – »Aber ich habe keine –«
    Und Forrester hielt inne, nicht weil er nicht mehr sprechen wollte, sondern weil das, was er hatte sagen wollen, nicht stimmte und er es einfach nicht sagen konnte. Er hatte sagen wollen, er hätte keine Geheimnisse.
    Er hatte in Wirklichkeit mehr Geheimnisse, als er zählen konnte; und ein sehr großes, das ihn erschreckte, weil sein Mund sogar damit herausplatzen wollte, während sein Verstand Nein! schrie. Wenn ich noch einen Augenblick länger in diesem Raum bleibe, erkannte Forrester, werde ich mit voller Kraft die Tatsache hinausschreien, daß ich derjenige war, der dem Sirianer zur Flucht verholfen und damit das Risiko heraufbeschworen hat, daß die ganze Welt der Menschen zerstört wird. Triefend von Schlamm, keuchend und vor sich hin murmelnd kletterte Forrester auf die Füße und zwang sich dazu, zu rennen – ein taumelnder Hindernislauf, bei dem er herumpeitschenden Gliedern auswich und über sich krümmende Körper sprang und der ihn durch das zornige Knurren der Krabbler hinaus in einen Ankleideraum trug, wo er mit einem duftenden Spray abgespritzt, von warmen Luftströmen getrocknet und in heißem Licht gebadet wurde.

Weitere Kostenlose Bücher