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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
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Freier die Klinke in die Hand. Wir wussten, wenn eine schon ein hartes Pensum hinter sich hatte, mussten wir ihr eine Pause verschaffen. Das Schaf führt sich selbst zur Schlachtbank und macht auch noch ein feines Gesicht dazu.
    Bück dich. Aber gerne. Das magst du doch auch. Ja, das mag ich auch.
    Ich weiß noch, wie eines Nachmittags die Tür des Schlafzimmers aufflog und Ines schreiend in den Flur stürzte. »Dieses Schwein pisst gegen die Wand! Dieses elende Schwein. Tut was!«
    Jasmin hatte den Mann hereingelassen. Man roch zehn Meter gegen den Wind, dass er besoffen war. Ein schmieriger Kerl, ungepflegt und mit einem schwabbeligen Bierbauch, aber wir durften keinen ablehnen, der es bis vor die Wohnungstür geschafft hatte. Keiner war böse darüber, dass er Ines ausgewählt hatte. Bevor sie die Falttür zum Schlafzimmer zuzog, hatte sie uns noch augenrollend einen Blick zugeworfen: Hoffentlich geht das schnell vorbei. Wir glucksten herum, hatten uns eher darüber amüsiert. Das Mitleid hielt sich in Grenzen, jede war sich selbst die Nächste.
    Ines war sicher alles andere als zum Lachen zumute. Sie presste ihr Oberteil an ihren Körper und schrie einfach nur noch. Rainer und Ludwig, die in der Küche auf ihre nächste Fuhre zum Strich warteten, sprangen auf und stürmten ins Schlafzimmer. Sie packten den Kerl am Genick und prügelten ihn durch den Flur. Da stand er nun, klein und pummelig und mit fettigen Haaren. Nackt. Rainer schmiss ihm die Klamotten hinterher, das Treppenhaus hinunter. »Lass dich hier nie wieder blicken!«
    Ines, die die ganze Sauerei aufwischen musste, kippte anschließend erst mal einen Pikkolo, einen richtigen diesmal. »Wenigstens hat er das Geld dagelassen«, sagte sie mit einem schiefen Grinsen.

Verlorene Hoffnung
Wurde herumgewirbelt, bin aufgeschlagen
Bin fast erstickt an gebrochenen Fragen
Und all der Angst und der Schmerzen Lohn
Im Auge des Sturms taub – kataton
    Kugler kam fast jeden Tag, um nach uns zu sehen. »Sonst funktioniert ja nix in dem Puff, haha!« Manchmal ging er mit einer von uns, manchmal auch mit zweien, ins Schlafzimmer, um sich zu vergnügen. Er war der Einzige, der kein Kondom benutzte. Das sei sein gutes Recht, meinte er, weil wir ihm schließlich »gehörten«. Das sei wie mit einem Schrank oder einem Fernseher. »Solange der nicht abbezahlt ist, gehört der der Bank. Oder dem Möbelhaus. Und wenn du die Kohle nicht hast, musste ’nen Kredit aufnehmen und die Raten abbezahlen. So einfach ist das.« Keine von uns hatte je diesen Kredit beantragt. Die Zinsen waren verdammt hoch.
    Auch wenn ich mich mit der Zeit bemühte, ihm zu »gefallen«, damit er mich nicht schlug, blieb ich die Zicke, die ich von Anfang an in seinen Augen war. Ich glaube nicht, dass ich mich bewusst sperrig benahm, ich denke heute, es war das letzte Fünkchen Selbstachtung, das noch in mir steckte. Was ich später bereuen sollte.
    Wenn ich es war, die er sich für seine »Wir lieben uns alle«-Spaßrunde aussuchte, machte ich allerlei Blödsinn, um ihn abzulenken. Ich war witzig, machte Faxen mit den Stofftieren, bewarf ihn mit Kondomen oder schaltete den Fernseher an. »Komm, lass mal gucken, der Film ist bestimmt ganz nett.« Die Masche funktionierte nur, wenn er völlig erschlagen war. An anderen Abenden war ich so durch, dass ich ihn nur noch provozierte. Er wollte mich? Dann sollte er mich verdammt noch mal holen! Ich wollte ihn vorführen, ihm einen Spiegel vorhalten und merkte nicht, dass er es war, der mir einen Spiegel vorhielt.
    »Ich kriege immer, was ich will, das solltest du inzwischen wissen!«
    Für mich zählte trotzdem etwas anderes. Sicher, er hatte mich besiegt, körperlich. Triumphierender Siegerblick. Es gefiel ihm, mir zu zeigen, wer der Herr im Haus war. Ein Spiel, nichts weiter. Wenn ich ihm das Gefühl gab, dass mir seine Schläge nichts ausmachten, kam er richtig in Fahrt.
    »Du kleines Miststück!«
    Ich reagierte mit der Zeit wie ein Junkie. Nach innen zog ich mich immer weiter zurück, da war nur noch Leere. Die Schläge nahm ich wie einen Schuss Heroin, ich brauchte sie, um mich aus der Situation zu katapultieren, anders konnte ich es nicht ertragen. Hau drauf, schlag mich zu Brei, dann spür ich wenigstens irgendwas. Seine Schläge taten irgendwann nicht mehr weh. Ich war einfach weggetreten. Beam me up, Scotty. Hol mich hinter die Mauer.
    Auf meinem Holodeck war alles anders. Da schlich ich mich ins Schlafzimmer, krabbelte ins Bett und kuschelte mich

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