Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
Vom Netzwerk:
überspannt.«
    Den Rest der Fahrt über schwieg er. Die Stille war beängstigend, sie drückte mehr aus als jeder Satz, den er oder ich hätten sagen können. Ich wusste, dass ich selbst schuld war und verantwortlich für das, was jetzt mit mir geschehen würde. Vielleicht, weil ich so besser mit den Konsequenzen umgehen konnte? Mein loses Mundwerk mal wieder, warum musste ich eigentlich immer die Zicke geben?
    An das Haus, vor dem der Mercedes hielt, erinnere ich mich nur schemenhaft. Der Hausflur war finster und kalt, schwarz marmorierter Steinfußboden, hohe dunkle Holztüren. Hinter der Wohnungstür dann ein langer Flur mit weinrotem Teppichboden, am Ende ein Fenster. Im Vorbeigehen sah ich, dass sich draußen ein riesiger Schutthaufen befand, sah aus, als hätte man da etwas abgerissen.
    Rechts ging es zwei Stufen hinab in ein Wohnzimmer, das für meine Verhältnisse sehr nobel eingerichtet war. Der Raum war groß, in der Mitte standen zwei Säulen, die ihn in zwei Hälften teilten. Rechts an der Wand befand sich eine Schrankwand, die vom Boden bis zur Decke reichte. Davor eine Couchgarnitur aus dunkelgrünem Leder und ein dazu passender Sessel. Der Tisch dazwischen war quadratisch, ebenfalls aus dunklem Holz, die Oberfläche war wie bei dem Couchtisch im Jasmin mit Fliesen ausgelegt.
    »Glotz hier nicht so neugierig rum, zieh dich aus«, fuhr Kugler mich an.
    Ich tat, was er verlangte, und gab ihm meine Sachen.
    »Und jetzt knie dich hin«, sagte er, als sei es das Normalste der Welt.
    In der Wohnung rührte sich nichts, kein Geräusch drang in den Raum. Ich hörte nur das Hämmern meines Herzschlags.
    Dann verband er mir die Augen, drehte mir die Arme hinter den Rücken und umwickelte sie mit Klebeband.
    »Au, du tust mir weh!«
    Er packte mich an den Haaren und riss meinen Kopf nach hinten. »Jetzt schon? Das wird gleich noch viel mehr weh tun!«
    »Was soll das? Was machst du mit mir?« Meine Stimme zitterte, ich hatte eine Scheißangst.
    Er antwortete nicht.
    Ich fing an zu wimmern und sagte immer wieder ganz leise: »Nein, bitte nicht, bitte nicht.«
    In meiner Erinnerung dauerte es eine ganze Weile, bis ich ein Geräusch hörte. Vielleicht waren es auch nur wenige Minuten, aber gefesselt, mit verbundenen Augen und nackt in einem Zimmer zu knien wie ein Stück Fleisch, schön angerichtet wie auf einer Silberplatte, kann daraus eine Ewigkeit werden.
    Ein Klacken, Stimmen, dann Schritte. Der Teppichboden dämpfte sie, darunter knarrten Dielen. Die Schritte kamen näher, stoppten.
    Ich hörte Kugler sagen: »Ihr habt drei Stunden. Macht mit ihr, was ihr wollt! Ich brauch sie nicht mehr!«
    Ich fing an zu schreien. »Bitte, Kugler, bitte geh nicht, bitte nicht!«
    Aber er ging einfach, ohne ein Wort, und ließ mich allein. Als ich hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel, sank ich mit dem Oberkörper nach vorn. Mit dem Kopf schlug ich auf den Boden, immer wieder, die Tränen liefen mir über das Gesicht. Jetzt in diesem Augenblick geht dein Leben zu Ende. Gefesselt, nackt und mit verbundenen Augen zu Tode geprügelt, vergewaltigt oder was sie sonst noch so alles vorhaben. Das kann es nicht gewesen sein, oder? Du hast es nicht anders verdient. Nein, verdammte Scheiße, nein.
    An den Schultern wurde ich nach oben gerissen.
    »Hör mit dem Geplärre auf!«
    Ein wuchtiger Schlag traf mich am Kopf, dann noch einer. Ich kippte auf die Seite und versuchte verzweifelt, meine Arme freizubekommen. Das Paketband schnitt mir in die Handgelenke. Ich zog die Knie nach oben, in der Hoffnung, meinen Kopf schützen zu können. Sie traten gegen meine Beine, »runter damit, du Stück Scheiße!« Die Schmerzen waren die Hölle. Aber am schlimmsten war die Hilflosigkeit. Nicht sehen zu können, was auf einen zukommt. Zusammengekauert auf den nächsten Schlag zu warten. Sich nicht davor schützen zu können. Diese Schweine nicht sehen zu können. Irgendwann spürte ich die Schläge und Tritte nicht mehr. Meine Seele zog sich zurück. Ich bin nicht da. Das bin nicht ich, das ist irgendwas, ein Sandsack, an dem sie ihre Aggressionen auslassen. Das ist nicht mein Körper. Ich bin nicht mein Körper, das ist nur eine Hülle.
    Irgendwann ließen sie von mir ab. Ich war weit weg von den Schmerzen, ich lag nicht mehr in dieser Wohnung, ich war nicht mehr hier auf dieser Welt. Selbst meine Angst war weg. Ich wartete nur noch auf den letzten Stoß, der alles beenden würde. Aber der kam nicht. Um mich herum war es totenstill. Ich

Weitere Kostenlose Bücher