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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
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kuschelig hat. Fein, so magst du’s, nicht wahr? Sonderwünsche? Klar, ich freu mich über jedes Fleißsternchen.
    *
    Es war ein Tag wie jeder andere auch. Wir standen wie immer gegen Mittag auf, Ines und Trixi gingen einkaufen, und Lea, Kuglers Liebling, hatte »Freigang«, um ihre Oma zu besuchen. Die hatte, soweit ich mich erinnere, Geburtstag. Wir alle waren so auf Spur gebracht, dass Kugler keine Sorge hatte, dass sie der lieben Oma etwas steckte oder zur Polizei gehen würde. Was hätte sie auch sagen sollen? »Omi, ich hab da ein paar Pralinen für dich, aber bevor du die jetzt auspackst, muss ich dir was sagen! Deine Kleine geht anschaffen und lässt sich jeden Tag durchficken. Von dem Geld hab ich auch dein Geschenk gekauft, toll, was?« Superidee.
    Mir ging es nicht so gut an diesem Tag. Ich hatte Unterleibsschmerzen, und alles tat mir weh. Kugler hatte mich am Abend zuvor brutal vergewaltigt und mit der Peitsche gedroschen. Doch wieder mal nicht an die Regeln gehalten.
    Ich ließ mir ein heißes Bad ein, in der Hoffnung, das würde die Schmerzen ein wenig lindern. Bis zum späten Nachmittag musste ich fit sein, dann würden die Kunden so langsam eintrudeln. Ich ging ins Badezimmer, drehte das Wasser auf und schüttete irgendein parfümiertes Zeug hinein. Als ich mich hineinsetzte, brannte mein Rücken, aber der Schmerz ließ mit der Zeit nach. Ich ließ mich in den Schaum sinken und versuchte, mich etwas zu entspannen. Es war warm und wohlig. Und ich döste für einen Moment weg.
    Die Badezimmertür flog mit einem lauten Knall auf. Ich riss erschrocken die Augen auf. Vor mir standen drei vermummte Personen, die Waffen in ihren Händen auf mich gerichtet. Jetzt ist es aus! Ich tauchte mit dem Kopf unter Wasser. Ich hörte, wie einer von ihnen schrie: »Raus aus der Wanne! Sofort.«
    Das mussten Feinde von Kugler sein, andere Zuhälter, die noch eine Rechnung mit ihm offen hatten. Ich hielt die Luft an und rührte mich nicht. Wie oft hatte er uns eingebläut, nie die Tür zu öffnen, wenn wir keine Kunden erwarteten. »Seid vorsichtig, Mädels, da draußen gibt es ein paar Schweine, bei denen weiß man nie!«
    Das Wasser stieg mir in die Nase, lange würde ich es nicht unter Wasser aushalten können. Als ich mit puterrotem Kopf auftauchte, waren sie immer noch da.
    Okay, steh auf, langsam, sie werden dir schon nichts tun.
    Der Boden war rutschig, ich verlor fast das Gleichgewicht, als ich mich am Haltegriff neben der Wanne nach oben zog. Meine Haare trieften, das Wasser rann mir über die Augen. Ich musste mehrmals zwinkern, bis ich die Szene im Bad klar hatte. Zwei der Männer ließen ihre Waffen sinken, drehten sich um und gingen Richtung Tür. Auf ihrem Rücken ein Schriftzug, dessen Bedeutung mir nur langsam ins Bewusstsein sickerte. POLIZEI stand da in fetten Lettern. Ich war im ersten Moment wie betäubt, dann brach ich in Tränen aus und kreischte und lachte herum wie eine Irre. Zwei der Uniformierten standen noch immer vor der Wanne. Eines dieser Wesen nahm den Helm ab, eine Frau, die mir die Hand reichte und fragte, ob sie mir helfen könne.
    »Nein, das geht schon, ich schaff das.« Meine Stimme zitterte vor Aufregung, Tausende Gedanken schossen durch meinen Kopf, ich bekam kaum das Bein über den Wannenrand. Als ich sicher auf der anderen Seite stand, blickte ich ihr direkt in die Augen.
    »Ist ein bisschen heiß hier drinnen, ich warte besser draußen. Ziehen Sie sich was an.« Mit diesem Satz ging sie nach draußen, ihr Kollege folgte ihr.
    Ich stand tropfend auf den Fliesen und wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Das, worauf ich so lange Zeit gehofft hatte, war plötzlich eingetreten. Es ist vorbei, es ist endlich vorbei.
    Mit zitternden Fingern griff ich nach einem Handtuch, um mich abzutrocknen. Und jetzt? Wie weiter? Was, wenn Kugler genau jetzt kam? Wilder Schusswechsel? Reiß dich zusammen, das ist Fernsehen. Was ist mit den anderen? Ich muss denen sagen, dass sie weg sind, dass sie gleich wiederkommen vom Einkaufen, dass sie sie auch retten müssen. Und Lea. Also, wissen Sie, die ist gerade bei der Oma, die kommt aber sicher gleich, muss sich ja fertigmachen für den Abend. Ja, Ausgang haben manche von uns schon hin und wieder. Bei guter Führung. Wie? Alles nicht so schlimm hier? Nee, alles nicht so schlimm hier. Wie klingt das denn! Die denken ja, du hast ’nen Schatten. Mach weiter jetzt. Zieh dich einfach an. Mit dem Handrücken wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht.

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