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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
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Disko. Ins Extra Drei in Koblenz.
    Dort hatte ich eine schicksalhafte Begegnung. Ich war nicht gut drauf gewesen, Anke und ihre Freundin hatten mich regelrecht beschwatzt, dass ich mitkam. Gelangweilt nippte ich an meiner Cola, die Musik war Mist, ich stand nur da und zog ein Gesicht. Endlich signalisierten mir die beiden: Zeit zum Aufbruch. Der Weg zur Garderobe führte über einen langen Flur, an dessen Ende auch die Kasse am Einlass war. Während wir darauf warteten, endlich rauszukommen, standen auf der anderen Seite all die Leute, die noch rein wollten. Wir liefen Richtung Ausgang, dabei fiel mir ein Mann auf, der an einem der Stehtische im Gang zwischen den verschiedenen Tanzflächen der Disko stand. Als ich an ihm vorbeiging, trafen sich unsere Augen für einen Sekundenbruchteil. Er gefiel mir, aber ich senkte meinen Blick sofort. Vor der Garderobe gab es eine riesige Schlange, wir reihten uns ein. Mehrmals drehte ich mich um, unauffällig, wie ich dachte. Aber jedes Mal sah er mir direkt in die Augen, mal lächelte er, dann hielt er seinen Kopf etwas schief und zum Abschied winkte er mir schüchtern zu.
    Mein Herz pochte, und ich konnte den Laden gar nicht schnell genug verlassen.
    In den nächsten Tagen ging mir dieser Mann nicht mehr aus dem Kopf. Ich wollte ihn unbedingt wiedersehen. Ich weiß nicht, wie oft ich Anke in jener Woche am Telefon gesagt habe, wie schön der Abend im Extra Drei gewesen war. Und dass wir das doch bald mal wiederholen sollten. Sie blickte mich prüfend an, sagte aber nichts. Am Freitag meinte sie beiläufig: »Na? Sollen wir morgen noch mal tanzen gehen?« Ich wäre ihr am liebsten sofort um den Hals gefallen. Stattdessen sagte ich: »Hm. Wenn du unbedingt willst …«
    Ich war super aufgeregt und hatte Stunden vor dem Spiegel zugebracht. Ich trug einen lila Zweiteiler, ein Geschenk von Anke. Typisch Neunziger, das Oberteil bis unters Kinn zugeknöpft, mit Stehkragen, aber weiten Fledermausärmeln. Die Hose war nicht besser und ebenfalls sehr weit geschnitten, wie eine Pumphose.
    Gleich hinter der Kasse setzte ich mich von Anke ab. »Mal sehen, was heute so los ist«, murmelte ich, dann düste ich los. Im Extra Drei gab es drei Tanzbereiche. In einem Saal liefen hauptsächlich Foxtrott und Schlager, im nächsten spielten sie Charts, im dritten eher rockigere Stücke. Da sah ich als Erstes nach. Nervös umklammerte ich das Geländer an der Tanzfläche. Alles war dicht gedrängt, aus einer Maschine wurde immer wieder künstlicher Nebel in die Menge geblasen. Ich sah – nichts, zumindest nicht ihn. Enttäuscht drehte ich mich um, dann blickte ich in diese Augen. Er hatte die ganze Zeit neben mir gestanden, keine zwei Meter weg. Ich tat so, als hätte ich es nicht bemerkt, und stürzte an ihm vorbei nach draußen. Na, das war ja noch mal gutgegangen. Auf dem Flur traf ich Anke, bei ihr drückte ich mich eine ganze Weile herum, bis ich den Mut fasste, noch einmal zurückzugehen. Jetzt ganz cool. Nicht, dass es auffällt. Nicht, dass der tatsächlich denkt, ich meine ihn.
    Mit festem Schritt und selbstbewusst bahnte ich mir den Weg zur Theke, um mir etwas zu trinken zu bestellen. Ich kramte gerade die Märker aus dem Geldbeutel, als mich jemand am linken Arm packte. Du Penner! Fass mich nicht an! Ich drehte mich um. Da stand er. Braun gebrannt, mit blond gesträhntem Haar, im Nacken etwas länger, und einer Jeansjacke an. Er fragte mich, ob er meinen Drink bezahlen dürfe, ich hätte mir ja eben etwas bestellt. Ich nickte, brachte keinen Ton über die Lippen. Er orderte ebenfalls etwas und sagte dann: »Findest du es nicht auch wahnsinnig laut hier?« Ich nickte wieder und folgte ihm in einen etwas ruhigeren Bereich, in dem ein paar Sofas zum Abhängen standen. Wir setzten uns und redeten den ganzen Abend lang.
    Irgendwann kam Anke und meinte, dass wir jetzt gehen müssten. Ich sprang so schnell auf, dass ich überhaupt nicht in die Verlegenheit kam, sie vorstellen zu müssen. Ich wollte nicht, dass er mitbekam, dass sie meine Pflegemutter war, denn ich hatte ihm erzählt, dass ich bereits achtzehn sei. »Tschüs, bis bald mal, man sieht sich!«, mit diesen Worten ließ ich ihn sitzen und eilte hinter Anke her.
    Noch im Auto fragte ich sie beiläufig: »Sag mal, wie fandst du eigentlich den Typen, mit dem ich mich unterhalten hab?«
    Sie sagte ganz trocken: »Was willst du denn mit ’nem Kerl, der aussieht wie Matthias Reim, nur zwanzig Jahre älter?«
    Das fand ich überhaupt

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