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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
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nicht! Für mich sah er eher aus wie Dieter Bohlen. Aus heutiger Sicht nicht wirklich ein Unterschied, damals aber ein echtes Kriterium. Cooler eben.
    Nach Ankes niederschmetterndem Satz ging mir dieser Kerl erst recht nicht mehr aus dem Kopf. Trotzdem dauerte es, bis ich feststellte: Du hast dich völlig in diesen Mann verknallt. Ich musste ihn treffen, unbedingt, in meinem Kopf drehte sich alles darum, wie ich Anke dazu bringen konnte, so schnell wie möglich wieder mit mir ins Extra Drei zu gurken.
    Die Gelegenheit dazu kam unverhofft. Anke hatte mir gesagt, dass sie am darauffolgenden Wochenende nicht da sei, ich sah meine Felle schon davonschwimmen. Am Mittwoch gab es ein Treffen mit meiner ersten Familie, Karin war gekommen, um sich zu erkundigen, wie es läuft. Anke erzählte, dass mir die Ausflüge ins Extra ganz guttäten. »Ach, ist ja lustig. Eine Freundin von mir geht da auch immer hin. Donnerstags meistens.« Eine Steilvorlage. Ich hatte den Satz im Vorbeigehen aufgeschnappt und lugte ins Zimmer. »Darf ich?« Anke holte tief Luft – und nickte. »Dein Glück, dass übermorgen Feiertag ist.«
    Einen Tag später betrat ich im Schlepptau von Karins Freundin das Extra Drei. Schon an der Garderobe war ich aufgeregt. Donnerstag! Wahrscheinlich kommt er nur am Samstag. Feiertag morgen, keine Panik.
    Als ich den Gang entlangging, sah ich ihn schon sitzen, auf »unserem« Sofa. Er lächelte und winkte mir zu, stand auf und zupfte seine Klamotten zurecht. »Ich hab gewusst, dass du heute kommst!«, sagte er. »Setz dich doch.«
    Da saßen wir wieder auf demselben Sofa wie ein paar Tage zuvor und unterhielten uns. Zwischendurch ließ ich mich von Zeit zu Zeit bei Karins Freundin blicken. »Nee, alles klar, nee, tanzen is heut nich so.«
    Als er anfing, Fragen zu stellen, machte ich dicht. Ganz normale Fragen, die man eben so stellt, wenn man sich gerade kennenlernt. Ganz normale Fragen, die ich mal eben nicht so beantworten konnte und wollte. Ich weiß noch, dass ich ihn anblaffte: »Warum können wir nicht einfach reden? Ich hab keinen Bock auf irgendwelche Fragen!« Trotzdem gab er mir an diesem Abend seine Telefonnummer.
    Es dauerte ein paar Tage, bis ich den Mut fand, ihn anzurufen. Ich hatte den Zeitpunkt genau abgepasst, Anke war nicht zu Hause. Wir telefonierten nur kurz, ich gab vor, keine Zeit zu haben. Als er mir vorschlug, dass wir uns doch mal außerhalb der Disko treffen könnten, steckte ich in der Scheiße. Das ist doch jetzt mit Ansage! Ich hatte ihn angelogen, gesagt, dass ich bereits achtzehn sei. Und nun konnte ich ihm eigentlich nicht zusagen, weil ich erst um Erlaubnis fragen musste. Augen zu und durch. Ich verabredete mich mit ihm für den übernächsten Tag, irgendwie würde ich es schon schaffen davonzuwitschen. Du machst schon wieder den gleichen Mist wie in Leipzig. Lügen, Lügen, nichts als Lügen.
    Am Tag vor unserem Treffen, sinnigerweise vor der Sparkasse am Ort, kam Horst bei uns vorbei. Er war zu meiner Mutter gefahren, um meine persönlichen Sachen und weitere Kleidungsstücke für mich zu holen. Als ich den blauen Müllsack leerte, drehte ich durch. In dem Sack waren nur Sachen, die ich schon seit Urzeiten nicht mehr trug. Mädchenslips, die mir meine Großmutter vor Jahren geschenkt hatte, mit Aufdrucken, Bärchen und Blümchen drauf. Blusen und T-Shirts, die völlig verwaschen waren, alles mit einem Grauschleier überzogen. Strickpullover von anno Tobak, ausgeleiert und verschossen. Was hatte sie sich dabei gedacht? Eine kleine Lektion, weil ich meine Sachen seit meinem elften Jahr selbst wusch? Meine Mutter hatte es nie hinbekommen, die Sachen farblich zu trennen, ich war schon als Kind pingelig gewesen und hatte meine Hemdchen im Waschbecken gewaschen und anschließend in unserem Kinderzimmer vor dem Kachelofen aufgehängt. Sie schmiss einfach alles zusammen. Genau wie jetzt mit dem Müllsack. Rein damit und weg das Zeug, ohne Hirn und Verstand. Auf dem Boden vor mir lag nur Schrott. Meine guten Klamotten, die hatte sie alle behalten. Siehste. Scheißegal ist der das, wie du hier rumläufst. Hat sich doch noch nie Gedanken über dich gemacht. Wobei – was sollen denn die Nachbarn denken? Muss sie irgendwie vergessen haben, ihren Standardspruch von früher.
    Ich schraubte mich so in diese Sache hinein, dass ich einen Heulkrampf bekam und der Hausarzt mal wieder antanzen musste, weil ich mich nicht beruhigen konnte.
    Am Tag nach meinem Nervenzusammenbruch hatte ich mich also

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