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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
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Hätte ihm wohl ganz gut in den Kram gepasst.
    »Und wieso glauben Sie, dass Sie mich jetzt gefunden haben?«
    Ginzel erzählte, dass sie meinen vollen Namen in den 2000er-Akten entdeckt, Anfragen bei Einwohnermeldeämtern gestellt und schließlich meinen Namen gegoogelt hätten. Dabei seien sie auf der Startseite unserer Firma gelandet. Das Bild von mir als Geschäftsführerin hätte sie darin bestätigt, auf der richtigen Spur zu sein. Scheiße noch mal. Wolfgang und ich hatten tausendmal darüber diskutiert. Kein Mensch wird dich erkennen, du hast doch ganz andere Haare. Das Bild muss raus, gleich morgen. Wenn die mich schon finden, ist das für die anderen ein Kinderspiel.
    »Und was wollen Sie nun von mir?«
    »Wir würden uns gerne mit Ihnen über damals unterhalten, über die Zeit im Jasmin und wie es Ihnen danach ergangen ist.«
    »Wozu soll das gut sein?«
    Er erzählte mir, dass der Fall noch einmal aufgerollt werde. Ich verstand überhaupt nichts.
    Aus den Unterlagen gehe hervor, dass bereits 1999 / 2000 Informationen über Kunden des Jasmin gesammelt worden seien. Während des Verfahrens gegen die Drahtzieher eines Mordanschlags sei auch Anklage wegen Missbrauchs Minderjähriger erhoben worden. Das Gericht habe die Anklage später nicht zugelassen, obwohl es die belastenden Aussagen nicht in Frage stellte – mit der lapidaren Begründung: Man könne nicht sicher nachweisen, dass es für die Kunden des Jasmin nicht ersichtlich gewesen sei, dass es sich um Minderjährige handelte, da die Mädchen geschminkt gewesen waren.
    Die Worte wummerten in meinem Kopf. Unverdauliche Erinnerungsfetzen. Die Angst in meinem Kopf. Die Angst im Nacken, wie zwei Hände, die immer fester zudrücken.
    »Bitte, reden Sie mit uns. Wir sind auf Ihrer Seite, wir wollen Ihnen helfen. Wir werden auch nichts von dem verwenden, es sei denn, Sie geben Ihre Einwilligung dazu … Hallo? Sind Sie noch dran?«
    Vergiss das nie! Ich krieg dich, egal, wohin du dich verkriechst. Und dann bist du dran.
    »Lassen Sie sich Zeit mit der Entscheidung.«
    Du musst da durch, wenn du das hinter dir lassen willst. Ein Trauma lässt sich nicht wegsperren. Es findet immer eine Ritze, durch die es sich quetschen kann. Es wird nach dir greifen, vor allem dann, wenn du nicht damit rechnest. Sagt mein Therapeut. Soll ich jetzt die Tür freiwillig aufmachen? Das Visier hochklappen, ohne Netz und doppelten Boden? Wegen zwei Journalisten?
    »Wenn Sie möchten, schicke ich Ihnen gern ein paar Unterlagen, damit Sie sich ein Bild über unsere Arbeit machen können. Und wenn Sie dann immer noch wollen, melden Sie sich, ja?«
    Ich nickte stumm in den Hörer und legte auf.
    »Warum hast du nicht gleich aufgelegt?« Wolfgang sah mich verständnislos an. »Du brauchst jetzt endlich Ruhe. Aufregung ist das Letzte in deiner Situation. Außerdem hast du Familie, schon vergessen? Wenn die das mitkriegen, sitzen wir alle auf dem Präsentierteller. Willst du das? Mandy! Sieh mich an. Willst du das? Die Kinder gefährden?«
    Ich stand immer noch wie angewurzelt neben dem Telefon. Meine Beine gaben nach, ich rutschte an der Wand nach unten.
    Wolfgang hatte recht. Ich durfte meine Familie nicht in Gefahr bringen. Wie naiv war ich doch gerade wieder gewesen. Herr Ginzel – kann ja jeder sagen, er sei freier Journalist und wolle im Sachsensumpf recherchieren. Viel Vergnügen, sind schon andere darin versunken.
    Wie würde mein Sohn damit umgehen, wenn er von meiner Vergangenheit erfuhr? Wenn seine Klassenkameraden in einem Gespräch zwischen den Eltern etwas aufschnappten wie: »Mandy K.? Ist das nicht die Mutter von x? Ist ja ’n Ding, Nutte war die.« Kinder können grausam sein. Erwachsene auch.
    Eines Tages, das hatte ich mir vorgenommen, sollte er meine Geschichte erfahren. Aber von mir, nicht aus der Zeitung oder dem Fernsehen. Ich wollte, dass er später einmal nachvollziehen kann, dass ich nicht wegen ihm oft so verzweifelt und traurig gewesen war. Was der Begriff Flashback bedeutet und dass ich aus Angst so lange geschwiegen habe. Aus Angst auch um ihn.
    Wie oft hatte ich ihn ermahnt, die Haustür erst zu öffnen, wenn er gesehen hatte, wer draußen stand. Wenn er sich nicht daran hielt, reagierte ich manchmal sehr heftig. Ich war angespannt, wenn er einmal nicht zum vereinbarten Zeitpunkt nach Hause kam, was selten passierte, aber hin und wieder eben doch. Er spürte meine Angst, wusste um meine Schreckhaftigkeit bei ungewöhnlichen Geräuschen.
    Dazu kam mein

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