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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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nachzog. Wenn man dann den gleichen Vorgang mit einer heutigen Fotografie vom gleichen Standpunkt aus wiederholte, hatte man die Veränderungen, die in den einundzwanzig Jahren geschehen waren. Erst danach konnte die Detailarbeit beginnen.
    Doch zunächst musste es gelingen, das Negativ in die richtige Position zu manövrieren. »Ein Hauch nach oben. Nur ein Hauch. Zu viel! Viel zu viel! Ja, so. Stopp! Moment. Jetzt haben Sie wieder die Ebene verändert. Herrgott, ist denn das so schwer?«
    »Dann machen Sie es doch selbst!«, giftete Taler zurück. Er nahm die Hände von dem improvisierten Projektor und schüttelte sie aus.
    »Was ist?« Knupp klang besorgt.
    »Ich sammle mich, verdammt nochmal.« Er holte tief Atem.
    »Brauchen Sie eine Pause? Ein Bier? Ja, ein Bier, das macht die Hand ruhig. Mouchenwässerchen nennen wir Schützen es. Wissen Sie, was das ist, eine Mouche?«
    Die Tür in der schwarzen Wand ging auf. Einen kurzen Moment erhellte die Projektion Knupps seltsames Gesicht mit dem von weißen Stoppeln umgebenen schwarzgefärbten Bärtchen.
    »Eine Mouche ist ein Volltreffer. Mitten in die Mitte des Schwarzen. Darum Mouchenwässerchen.« Er knipste den Projektor aus und das Licht an. »Kommen Sie.«
    Beim Bier im Wohnzimmer bemerkte Peter Taler: »Sie waren ein guter Schütze. All die Trophäen.«
    »Lange ist’s her.«
    »Wann haben Sie das letzte Mal geschossen?«
    Knupp hielt seine zitternden Hände in die Höhe. »Kurz vor dem da.«
    »Wie lange haben Sie das schon?«
    »Zwei Jahre oder so.«
    Das Bier half. Talers Hand wurde ruhiger. Und er selbst etwas gleichgültiger. Es war nicht mehr so lebenswichtig, dass es gelang, und das machte das Gelingen einfacher.
    Auch Knupp war entspannter. Seine Anweisungen hatten den gereizten Unterton verloren, was zu Talers Entspannung beitrug.
    Bald hatten sie das Negativ in der gewünschten Stellung. Knupp öffnete vorsichtig die Tür, ließ seinen Gehilfen eintreten und schloss sie wieder.
    Talers Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Er erkannte die Umrisse des Negativs auf dem Millimeterpapier. Wie Knupp drängte er sich an die Wand der kleinen Dunkelkammer, damit sein eigener Schatten das Bild nicht störte.
    Alles passte. Die Ecke der Steinplatte des Sitzplatzes lag auf der Markierung, die er eingezeichnet hatte. Die der Wäschestange stimmte auch überein. Und die von Sitzplatz, Zaun, Steingarten und Plattenweg auch.
    Der Garten des elften Oktober neunzehnhunderteinundneunzig fügte sich exakt in den Grundriss, den er so mühevoll gezeichnet hatte.
    »Sehen Sie da.« Knupp flüsterte. Als ob er das Bild stören könnte, wenn er laut sprach. Er deutete auf einen Strauch am Rand des Rasens. »Ein Liguster. Er ist kurz nach Marthas Tod eingegangen. Wurde erst braun, dann gelb, dann kahl. Ich hatte gehofft, er würde im nächsten Frühling wieder ausschlagen. Aber damit war nichts. Ich musste ihn ausgraben. Jetzt wissen wir ganz genau, wo er stand.«
    Er zog sich aus dem Bild zurück, betrat es aber einen Augenblick später wieder. »Und hier, der Schlehdorn. Der stand also hier in der Hecke. Das wird nicht einfach werden, den zu pflanzen, wegen der Wurzeln des weißen Flieders. Und hier der Holunder. Aus seinen Blüten haben wir früher mit Wasser und Zucker eine Art Champagner gemacht. Einmal sind uns im Keller alle Flaschen explodiert.«
    Bis spät in die Nacht übertrug Peter Taler unter den euphorischen Anweisungen des alten Mannes alle Pflanzen, Gartenmöbel und Gegenstände auf den Plan.
    Als er kurz vor zwölf in die sternklare Nacht hinaustrat, war ihm, als trete er aus der Vergangenheit in die Gegenwart.
    Der Nissan von Keller stand noch nicht auf seinem Platz, als Peter Taler am nächsten Abend von der Arbeit kam. Er parkte und blickte zu Knupps Haus hinüber. Er sah gerade noch, wie der Vorhang des Fensters von Knupps Arbeitszimmer zurückfiel. Taler holte die beiden Mopedfahrerbilder aus der Wohnung und klingelte im ersten Stock.
    Frau Keller lächelte ihn reserviert an. »Ja, Herr Taler?«
    »Guten Abend. Verzeihen Sie, ich störe nicht lange.«
    Sie bat ihn nicht herein. Sie warf einen Blick Richtung Küche und wartete ab, was er ihr zu sagen hatte. Es roch nach Essen.
    Taler hielt ihr die beiden Fotos hin. »Kennen Sie diesen Mann?«
    Sie beugte sich lange über die Bilder und sagte dann: »Das könnte irgendwer sein. Man sieht ihn ja gar nicht.«
    »Ich weiß. Aber wenn Sie ihn kennen würden, könnten Sie mir bestimmt sagen, wer es

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