Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
Herrschaft für sich forderten, Letzteren zu zeigen, dass sie sich dadurch versündigten. Der Papst floh auf die Engelsburg und konnte von dort aus den Vergewaltigungen von Nonnen, den Folterungen, Massenhinrichtungen und der gründlichen Plünderung seiner Stadt beiwohnen, ohne dass ihm selbst dabei ein Haar gekrümmt wurde. Manche werteten diese Katastrophe als Gottes Strafe für den Hochmut der Nachfolger Christi.
Unter diesen Eindrücken, die die Stadt viele Jahre traumatisierten, entstand Michelangelos ergreifendes Werk, das dem Betrachter bildhaft vor Augen führt, womit er zu rechnen hat, wenn er den Geboten des Herrn nicht folgt.
Da sich vermutlich niemals etwas entscheidend ändern wird und da sich in jedem Menschenleben immer wieder die gleichen Fehler und bösen Taten wiederholen, traten die Kardinäle erneut zur Abstimmung über den nächsten Papst und über die Macht um Gottes Thron an. Diese Runde sollte beweisen, dass Verhandlungsgeschick und Bestechung dem Gewissen weit überlegen sind.
»Benedetti muss mit Armbruster eine Übereinkunft erzielt haben«, berichtete Veronis Konklavist.
»Welcher Art?«, fragte Veroni.
»Sie wollen die Entscheidung. Jetzt, in diesem Wahlgang, bevor der Druck von außen weiter zunimmt und Rodriguez durch weitere Abstimmungen gestärkt wird. Das heißt, dass sie unseren Plan durchkreuzen.«
»Aber was kann Benedetti Armbruster bieten, damit er auf seine Kandidatur verzichtet und seine Leute für Benedetti stimmen lässt?«
»Für Armbruster soll diese neue, mächtige Kongregation für Medien und Zukunft eingerichtet werden, der weitgehende Befugnisse und sehr hohe Geldmengen eingeräumt werden. Die Kongregation für Glaubenslehre soll mittelfristig aufgelöst werden und …«
Der Konklavist brach ab, wollte selbst nicht daran glauben.
»Jetzt sag schon«, drängte Veroni.
»Sie soll auf Opus Dei übergehen, das fortan die Glaubensinhalte für die Kirche formuliert, deren Einhaltung überwacht und bei Missachtung entsprechende Konsequenzen verhängt. Die alles entscheidende Kongregation für die Bischöfe wird dabei gleich mit übernommen und mit einem Mann Armbrusters besetzt.«
Veroni schauderte. »Das wäre eine zweite Inquisition!«
»Armbruster müsste zwar dann als Chef von Opus Dei offiziell abtreten, aber in Verbindung mit seiner neuen Medienkongregation würde er deren Botschaft über die ganze Welt verbreiten. Über eine Beteiligung am neuen Netz, das die Amerikaner in den nächsten Jahren aufbauen wollen, bevor die Kapazität das Internets völlig erschöpft ist, soll bereits eine erste Übereinkunft bestehen. Entsprechende Satelliten sind im Bau, mitfinanziert durch unsere Gelder.«
»Was bleibt dann noch für Benedetti übrig?«
»Wie zu hören ist, will er von Rom aus, mit Hilfe von Armbruster, eine Neuevangelisierung nach seinen Maßstäben einleiten. Er will als zweiter Religionsstifter nach Petrus in die Geschichte eingehen und den Moslems das Wasser abgraben.«
»Er ist größenwahnsinnig.«
»Schlimmer. Er ist das Jüngste Gericht.«
Die Glocke rief zur Abstimmung. Veroni ging zu seinem Platz, wo der Wahlzettel bereitlag. Mit sorgenvoller Miene fragte er Makeluma, mit welcher Unterstützung Rodriguez nach seinen Gesprächen zu rechnen habe. Die Antwort beschränkte sich auf ein niederschmetterndes Kopfschütteln. Jackson kam hinzu und bekräftigte die sich anbahnende Katastrophe mit einem Satz: »Es sind sehr große Summen in Bewegung.«
Über den Köpfen der Kardinäle erstreckt sich Michelangelos zweites Meisterwerk. Es ist das ältere der beiden und dehnt sich über die ganze Fläche der Decke, 14 mal 39 Meter mit 300 Figuren. Wollte er es ursprünglich mit Geschichten der zwölf Apostel ausschmücken, so entschied er sich bei der ungeheuren Herausforderung, die ihm diese Aufgabe als Ort des Konklave und als päpstliche Privatkirche abverlangte, für die Entstehungsgeschichte der Welt und des Menschen nach biblischem Vorbild. Sollte es die Kardinäle und Päpste auf ewig daran erinnern, wessen Geschöpfe sie waren.
Die Genesis und die Sintflut sind die zwei Themen eines Mittelstreifens, der in neun Paneele 27 unterteilt ist. Darin erschuf der Bildhauer, Architekt und Hobbymaler Michelangelo, der sich die Freskenmalerei nach Vertragsabschluss mit Papst Julius II. erst aneignen musste, nie da gewesene Darstellungen des Menschen; jene, vorwiegend nackt, mit starker individueller Ausdruckskraft, eingebunden in einen überwältigenden
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