Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
sich nicht abschütteln, sodass Heinlein einen Fünfer springen lassen musste. Der Ober wartete derweil geduldig, bis das Geschäft über die Bühne war, und präsentierte Heinlein eine kühle Halbe aus dem italienischen Hause Forst.
Das war akzeptabel. Der erste Schluck leerte das Glas bis zur Neige. Der Kellner hatte ein gutes Auge, Nachschub war schon unterwegs. Heinlein atmete entspannt durch. Neben ihm referierte ein beflissener Oberlehrer aus dem Badischen über die Sehenswürdigkeiten am Platze. »Das zweite charakterbestimmende Bauwerk der Piazza Navona ist die Fontana dei Fiumi, der Brunnen der Flüsse. Der große Baumeister Bernini war bei Papst Innozenz X. in Ungnade gefallen. Letzterer gedachte der Piazza und den Römern einen unvergleichlichen Brunnen zu schenken. Er richtete eine Kommission zur Prüfung der eingehenden Vorschläge der Architekten ein. Bernini griff zu einer List. Anstatt den geforderten Weg für seine Pläne zu nehmen, wandte er sich an die päpstliche Schwägerin Donna Olimpia, für die der Papst eine seltsame Leidenschaft empfunden haben soll. Innozenz, nicht gerade als ein starker Regent bekannt, ließ sich von seiner Schwägerin nicht nur in seine Geschäfte hineinreden, sondern sie war die alles entscheidende Macht im Vatikan. Jedes Vorhaben musste ihre Zustimmung finden, nicht selten erst dann, wenn eine entsprechende Summe in ihre Schatztruhe geflossen war. Verließ sie auch nur kurz die vatikanischen Räume, pflegte sie Innozenz im Zimmer einzuschließen und den Schlüssel mitzunehmen.«
»Da geht’s dir ja richtig gut mit mir, mein Schatz«, pflichtete ihm seine Gattin bei.
»Wart, jetzt kommt’s. Bernini ließ ein Modell seines Brunnens in Silber gießen und machte ihn Donna Olimpia zum Geschenk. Geschmeichelt von der Aufmerksamkeit, die ihr der große Baumeister zuteil werden ließ, wurde sein Vorschlag tatsächlich umgesetzt. Der Brunnen gilt heute als Berninis Meisterwerk … Also so ein Beschiss. Wenn man das im Nachhinein so liest, wie diese Bauwerke zustande gekommen sind, dann sieht man das hier alles ganz anders.«
»Beruhige dich, Schatz. Es gibt eben mehr als nur einen Weg.«
»Alles Mafiosi, diese Italiener.«
»Per la musica«, forderte der Quetschenmann seinen Tribut. Zu ihm gesellte sich ein kleiner Junge in zerrissenen Hosen, mit schmutzigen Händen und traurigen Augen. Er reichte einen Plastikbecher herum. Ein Pantomimendarsteller machte sich derweil für seinen Auftritt bereit; er spulte die Kassette im Recorder bereits zum Anfang zurück. Das reichte. Heinlein stand auf.
Der Aufschrei einer Frau ließ ihn aufmerken. Ein junger Mann machte sich zwischen den Touristenhaufen am Brunnen eilends aus dem Staub, gefolgt von einer Frau, die verzweifelt »Haltet ihn!« schrie. Er sah sie nur kurz, bevor sie wieder in der anonymen Menge untertauchte. Claudia?
Meine Kräfte neigten sich dem Ende entgegen, wie ein langer sonnenreicher Nachmittag, der sich nun dem Abend beugte. Lange würde ich es auf meiner selbst gewählten Folterbank nicht mehr aushalten, bevor mich der Schlund unweigerlich in die Tiefe ziehen würde. Was blieb, war ein Überraschungsangriff durch das kleine Fenster an meiner Seite.
Noch immer brüteten die drei Spanier über dem Papyrus, während Yasmina unbeteiligt am anderen Ende des Tisches ihr Handy nach einer Nummer zu durchforsten schien. Genervt legte sie es vor sich auf den Tisch. Ihr Blick wanderte haltlos umher, bis sie zu ihrer Handtasche griff und ein Notizbuch zutage förderte. Dabei rutschte ein länglicher, metallischer Gegenstand zu Boden, der aus der Entfernung einem aufklappbaren Teleskop ähnelte. Geschwind ließ sie ihn in der Tasche verschwinden. Die Spanier hatten es nicht bemerkt.
Yasmina nahm das Notizbuch und begab sich mit dem Handy zur Wendeltreppe, die sie exakt vor mein Fenster führte.
Ich erkannte, hart an den Rahmen gepresst, wie sie eine Nummer wählte und mit fordernder Stimme sprach.
»Benedetti« und »Whitby« glaubte ich zu verstehen. Es dauerte eine Weile, bis sich der gewünschte Gesprächsteilnehmer meldete. Ihre Schilderungen waren kurz, eindringlich, und sie achtete mit dem Blick über die Schulter darauf, dass sie keine Mithörer hatte. Zum Schluss des Gespräches wiederholte sie ein Wort – »Scavi«.
Kardinal Benedetti betätigte die Spülung und trat hinaus an das Waschbecken. Das Handy steckte er seinem Konklavisten zu, der an der Tür Schmiere gestanden hatte.
»Für wann ist die letzte
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