Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
Augen sehen konnten, die inmitten des silbergrauen Haars wie Saphire auf toter Asche funkelten.
»Wer ist das denn?«, fragte einer der Bischöfe.
»Das ist Bruder Alvarez«, erklärte der Würzburger Bischof und stellte sich neben ihn. »Er ist gestern angekommen und bat um Aufnahme für ein paar Tage, bis er seine Reise fortsetzt.«
»Alvarez!«
Der Name kroch wie die Pest durch die Reihen und bereitete einigen sichtlich Unbehagen. Der Bruder war bekannt. Mit ihm persönlich zu tun zu haben, bedeutete Unheil für jeden Kirchenmann.
»Ist das Bruder Alvarez, der …«
»Ja, ich bin es!«
Ein Raunen legte sich über die Häupter.
»Ich weiß, dass ich in eurem Kreis nicht willkommen bin. Viele von euch meiden mich, wie auch ich keinen Kontakt mehr zu euch suche, seit jenem Tag, als der Bann über mich gesprochen wurde.«
»Nicht die leiseste Spur«, antwortete ich gereizt.
Die Suche nach dem verschwundenen Zylinder war in der näheren Umgebung des Tatorts ergebnislos verlaufen. Ebenso hier im Pfarrhaus, wo ich nachts zuvor Nikola die Beute und leider auch die spurenverseuchten Hilfsmittel übergeben hatte, die mich jetzt den Kopf zu kosten drohten. Nie im Leben hätte ich sie ohne Handschuhe angefasst, wenn ich nur geahnt hätte, welche Wendung diese Sache noch nehmen würde.
»Haben Sie auch wirklich überall nachgesehen?«, fragte Signora Yasmina zum dritten Mal. »Auch dort, wo man sonst nie …«
»Gnädigste«, fiel ich ihr barsch ins Wort, »ich habe meinen Beruf gelernt. Also bitte!«
Das fehlte noch. Eine besserwisserische Hobby-Detektivin, die mir, einem Kriminalbeamten, beibringen wollte, wo man nach versteckten Gegenständen zu suchen hat. Zudem stand sie mir mehr im Weg, als dass sie irgendeine Hilfe für mich war. Warum hatte ich mich nur darauf eingelassen. Ich hätte Heinlein davon überzeugen müssen, dass es weitaus geschickter gewesen wäre, mir den Auftrag ohne einen Aufpasser zu erteilen. Nun hatte ich sie am Hals und wusste nicht, wie ich sie loswerden sollte.
»Seien Sie nicht so empfindlich. Ich habe Sie doch nur etwas gefragt. Kein Grund, mich anzufauchen«, protestierte sie.
»Wie wär’s, wenn Sie sich draußen vor der Tür auf die Bank setzen und warten, bis ich hier mit meiner Arbeit fertig bin. Das würde unsere Nerven schonen.«
»Sie haben ein Problem«, sagte sie mokiert und ging zur Tür.
»Ach ja?«, rief ich ihr nach. »Womit denn?«
»Mit Frauen.«
»Nicht, wenn sie tun, was man ihnen sagt.«
»Macho!«
Peng, die Tür war zu. Wieso nicht gleich. Nun war ich endlich allein, aber keinen Schritt weiter. Ich setzte mich an den Tisch, wo Nikola und der unbekannte Priester noch Stunden zuvor wie elektrisiert diesen ominösen Papyrus studiert hatten. Was hatte er eigentlich für eine Bedeutung, dass Nikola dafür eine Straftat in Kauf genommen hatte? Wieso hatte ich mich nicht näher dafür interessiert, anstatt einfach blind loszulaufen und einen Einbruch zu begehen? Und der entscheidende Punkt: Wieso hatte ich nicht meinem Instinkt vertraut? Ich hätte sofort wieder gehen müssen, als ich mit diesem Priester konfrontiert wurde. Jede noch so kleine Abweichung vom besprochenen Plan konnte das Scheitern bedeuten. Und so war es ja auch. Nur, wieso hatte Nikola mir nichts über ihn erzählt, und wieso vertraute er ihm rückhaltlos? »Er ist ein Freund, er wird uns nicht verraten. Gerade er nicht«, hatte Nikola gesagt, um meine Zweifel zu zerstreuen. »Er« musste folglich jemand sein, der mit dem Zylinder ursächlich zu tun hatte und eine bedeutende Rolle in dieser Charade spielte. Doch wie passte das alles zusammen?
Ich wunderte mich sehr über mein gestriges Desinteresse und meine Fahrlässigkeit, die mich wie ferngesteuert all das hatte tun lassen, ohne nach der Identität des Fremden zu fragen. Ich musste mir eingestehen, dass ich auf ganzer Linie versagt hatte und jetzt nicht so recht weiterwusste. Darüber hinaus hatte ich diese seltsame Signora am Hals, die ich in die Vorkommnisse nicht so recht einordnen konnte.
Mein Blick schweifte haltlos im Raum umher, auf der Suche nach dem übersehenen Detail, das mich auf die Spur des Mörders setzte. Ein Tisch, eine Eckbank, ein Vertiko mit Besteck und Teller, ein Herd und eine Lampe. Der Raum war karg gehalten, funktional, ohne nennenswerten Schnickschnack. Zu verstecken gab es hier nichts, was die Kollegen vom Erkennungsdienst und ich nicht schon überprüft hatten.
Ich musste weitere Möglichkeiten in Betracht
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