Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
sie dabei kennen gelernt. Na ja, und dann ging alles ziemlich rasch. Es müssen schwungvolle Zeiten gewesen sein, damals in den Sechzigern.«
»Dann sind Sie jetzt wie alt?«
»Vierunddreißig.«
»Und dann schon Professorin? Respekt.«
»Nichts ist mir zugeflogen. Ich musste für alles hart arbeiten. Glauben Sie mir, eine Frau hat es nicht leicht, wenn sie etwas erreichen will. Und schon gar nicht in einer Männerdomäne wie Kirchengeschichte.«
»Wieso gerade dieses Fach? Ist das nicht eher etwas für verklärte Ordensbrüder?«
»So würde ich das nicht sehen. Natürlich hat man in dieser Disziplin viel mit Brüdern und Schwestern aus den verschiedensten Orden zu tun, aber die Erforschung unserer Geschichte kann auch sehr spannend sein. Sie müssen sich vorstellen, dass mit den Leistungen der Kirche auf allen Gebieten, wie zum Beispiel der Kunst, der Geschichtsaufzeichnung oder des Bildungswesens, unsere heutige Zivilisation erst möglich wurde. Stellen Sie sich nur mal vor, was aus Michelangelo ohne die Kirche geworden wäre.«
»Oder aus Galilei.«
»Sie sind hinterhältig.«
»Nein, ehrlich.«
»Wie Sie wollen«, antwortete sie trotzig, »dann lassen Sie uns bitte zum eigentlichen Thema unserer Zusammenarbeit zurückkehren. Also, ich kann Ihnen leider nicht viel zum Inhalt des Fundes sagen. Es handelt sich wohl um Aufzeichnungen, die im Grab eines fränkischen Kriegers hinter dem Kilianshaus gefunden wurden. Seltsam, welch ehrfurchtsvollen Namen Sie tragen, und trotzdem scheinen Sie ein Mensch zu sein, der nicht viel mit dem Glauben zu tun hat.«
»Für meinen Namen kann ich nichts. Meine Großmutter hat meinen Vater unehelich geboren. Bei seiner Geburt, die mit großen Komplikationen verlief, muss sie den heiligen Kilian, den Patron der Franken, angerufen haben, damit sie es übersteht. Sie hat es schließlich überlebt, wurde aber mit dem Bastard vom Hof gejagt und fand dann in Köln Anstellung in einer Kneipe. Und wie es der Zufall wollte, lernte sie dort ihren zukünftigen Mann, einen Lkw-Fahrer mit dem Namen Kilian, kennen. Natürlich kam er hier aus Franken. Ich bin also die Frucht einer schmerzerfüllten Bitte und des liebevollen Umgangs mit hilfsbedürftigen Mitmenschen. Der damalige Pfarrer hat die Bauern noch dabei unterstützt, das schändliche Weib vom Hof zu jagen.«
»Nun, ich habe nicht den Anspruch, Sie für die Kirche zu gewinnen. Auch der Teufel braucht Seelen.«
»Mit dieser Einstellung gefallen Sie mir schon besser. Sie können mich aber auch einfach nur Jo nennen, wenn Sie glauben, dass ich das Ansehen des heiligen Kilian mit meinem Namen beschmutze.«
»Jo wie Johannes?«
»Ja.«
»Johannes der Täufer wurde geköpft, weil er der Herodia im Wege war.«
*
Nach der Mittagsruhe in einer Villa in Rom.
Im Rauch gefangen saßen drei betagte, aber hoch gestellte Herren misstrauisch in einem abgedunkelten Raum um einen edlen Mahagonitisch, der vom schwachen Schein einer Lampe erleuchtet wurde. Er fiel auf einen maulwurfsgroßen Hügel aus Hundert-Euro-Scheinen. Durch die Ritzen der Jalousien drang gleißendes Sonnenlicht auf sündhaft teure Teppiche aus dem Orient.
Full House mit zwei Achten und drei Königen.
»Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist«, triumphierte Kardinal Jackson.
»Du hast beschissen«, grollte Kardinal Veroni.
»Das ist der Sinn des Spiels«, konterte Jackson und schaufelte mit beiden Armen die Scheine in seine Soutane.
»Du meinst bluffen, du verdammter Südstaaten-Hurensohn«, haderte Kardinal Makeluma mit seinem Schicksal als Verlierer. Sein Augenweiß glänzte inmitten nachtschwarzer Haut. Verächtlich spuckte er den zerbissenen Stummel eines Zahnstochers aus.
»Kaffer und Spaghettifresser haben’s eben nicht drauf«, amüsierte sich Jackson, während er die Scheine sortierte, dann glatt strich und einen nach dem anderen zufrieden auf die beiden Säulen vor sich legte. »Bluffen oder bescheißen. Was soll’s. Kapiert endlich, dass das ein uramerikanisches Spiel ist, in dem ich einfach nicht zu schlagen bin. Wer gibt als Nächster?«
»Scusi, signori«, unterbrach die dünne Stimme eines Dieners in Livree, »Besuch für Eure Eminenz.«
»Wer stört?«, fragte Veroni wirsch, ohne den Blick von Makelumas Händen zu verlieren, die die Karten mischten.
Ein Mönch in heller Kutte erschien in der Tür. Er räusperte sich und verschaffte sich dadurch Gehör.
»Ninian? Was machst du hier?«, fragte Veroni.
Bruder Ninian trat an den Tisch. Sein linker,
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