Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
mich Pater Nikola zurück nach Italien bringt.«
»Wieso brauchen Sie dazu die Hilfe eines Priesters?«
»Er hatte sehr gute Kontakte, die mir den Einstieg in bestimmte Kreise ermöglicht hätten.«
»Als Polizist?«
»Zurzeit bin ich auf eigenen Wunsch beurlaubt. Ich will die Chance nutzen, um mich nach neuen Herausforderungen umzusehen. Nikola war ein d’Agostini.«
»Von der Banco d’Agostini?«
»Exakt.«
»Eine gute Adresse. Selbst die Vatikanbank macht mit den d’Agostinis Geschäfte. Nun, ich befürchte, die Sache mit dem Tod von Pater Nikola schaut nicht gut für Sie aus. Ich habe den Eindruck, dass Ihr Kollege, dieser Herr Heinlein, Sie nicht mehr lange vor einer Anklage schützen kann.«
»Deswegen ist Eile geboten. Ich … wir müssen schnellstens Ergebnisse liefern.«
»Wir?«
»Ja, wir. Ich habe nachgedacht und möchte mich für meine aufbrausende Art bei Ihnen entschuldigen. Manchmal gehen mir einfach die Pferde durch.«
»Weil Sie meine Hilfe brauchen. Nicht, weil ich Ihnen plötzlich so sympathisch geworden bin. Habe ich Recht?«
»Ich gebe es zu, ja, ich brauche Ihre Hilfe. Vielleicht werden Sie mir dann auch sympathischer. Also, werden Sie mir helfen?« Die Signora della Schiava lehnte sich zurück, drückte ihren blonden Schopf gegen die Mauer und blickte in den stahlblauen Himmel über Veitshöchheim. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen.
»Wissen Sie«, sagte sie, ohne den Blick vom Firmament zu nehmen, »Frauen haben für Männer nur dann eine Bedeutung, wenn Sie gebraucht werden. Haben sie ihre Arbeit getan, lässt man sie fallen wie eine heiße Kartoffel. Ich habe nie verstanden, wieso das so ist. Können Sie mir darauf eine Antwort geben?«
»Wahrscheinlich, weil Männer von Natur aus Einzelgänger sind und es ihr Leben lang bleiben, selbst wenn, ich korrigiere mich, gerade wenn sie verheiratet sind und Kinder haben. Für Frauen sind Männer das, was ein Männchen bei den Gottesanbeterinnen für das Weibchen ist. Samen und Nahrung. Nichts weiter. Wir Männer wissen das instinktiv, deshalb bedienen wir uns der Frauen und machen uns anschließend schnellstens aus dem Staub.«
Yasmina lachte laut und geradeheraus. »So eine Erklärung habe ich ja noch nie gehört. Wo haben Sie das denn her?«
»Hat mir ’ne Kakerlake in meiner Dachstuhlwohnung erzählt.« Auch ich musste lachen, über den Unsinn, den ich mir manchmal auf solch unenträtselbare Fragen einfallen ließ. Wie sollte man etwas erklären, was wahrscheinlich in den Genen oder in den abgrundtiefen Winkeln der Psyche verschüttet liegt.
Von einem Moment auf den anderen hatte sich Yasminas Ausstrahlung einer blond-blassen Kirchenmaus in die herzerfrischende und lebendige Art einer wirklichen Römerin gewandelt, so ausgelassen lachte und strahlte sie. Aber leider war der Moment schnell wieder vorbei, und ihr Lachen versank unter ihren farblosen Zügen.
»Ja, ich werde Ihnen helfen«, sagte sie und zupfte artig den hochstehenden Kragen an ihrer weißen Bluse zurecht, der dem Gefühlsausbruch nicht standgehalten hatte.
Ich bemerkte es, vermied es aber, sie zu fragen, wieso sie an einem wohlig warmen Maitag ein dunkelblaues, hochgeschlossenes Kostüm trug, das eindeutig zu warm für die Jahreszeit war.
»Bravo«, erwiderte ich, »es freut mich, dass Sie mir helfen wollen. Fangen wir am besten damit an, dass Sie mir sagen, was an diesem Zylinder und dem Papyrus so wichtig ist, dass ein Priester dafür ermordet wird und man Sie aus Rom hierher bestellt hat.«
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen die Frage beantworten. Aber leider habe ich noch keinen Blick auf das Gehäuse und die Schriftrolle werfen können. Alles, was ich bisher weiß, habe ich vom Bischof. Er beschrieb mir, nicht ganz freiwillig, den Zylinder und das Siegel, denn er befürchtet, dass ich den Fund nach Rom zum Heiligen Stuhl mitnehmen könnte. Na ja, nicht zu Unrecht, das kann natürlich passieren, wenn der Gegenstand eine gewisse Bedeutung für die Kirche besitzt.«
»Wer hat Sie eigentlich aus Rom angefordert?«
»Der Bischof selbst. Bei potenziell wertvollen Funden auf Kirchengelände muss er umgehend Rom verständigen.«
»Für welche Abteilung arbeiten Sie?«
»Ich bin Professorin am Lehrstuhl für Kirchenund Kunstgeschichte der vatikaneigenen Universität.«
»Und wie kommt’s, dass Sie so gut Deutsch sprechen? Ganz ohne Akzent und fehlerfrei?«
»Meine Mutter war Deutsche. Mein Vater hat in Münster ein paar Semester Medizin studiert und
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