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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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heraus, bis mir schwindelig wurde. Im Dunkeln hörte ich es pochen, immer langsamer und stockender, bis der letzte Schlag mit einem Seufzer endete und ich erwachte.
    »Kilian!«, schrie jemand und malträtierte meine Tür mit Fußtritten. »Machen Sie auf. Ich weiß, dass Sie da sind!«
    Ich drehte mich zur Seite. »Wer ist da?«
    »Ich bin’s, Yasmina. Jetzt machen Sie endlich auf!«
    Meine blutleeren Beine drohten mir den Halt zu versagen, als ich zur Tür schlurfte, nackt, die Riegel mit zwei Schlägen öffnete, um dem ungebetenen Gast Zutritt zu gewähren.
    »Was gibt’s?«, fragte ich sie, die in gewohnter marineblauer Uniform, die blonden Haare hochgesteckt und bis zum Hals zugeknöpft, vor mir stand.
    »Wir waren …«
    »Verabredet? Dacht ich mir’s doch.«
    Ich kümmerte mich nicht weiter um sie und trat den Rückzug an, der mich zum letzten Schluck Carlos führte. Eine kleine Reserve für den darauf folgenden Tag war Gold wert, und an diesem Morgen hatte ich ihn bitter nötig. Zumal wenn die erste Frau nach meiner Rückkehr aus dem Totenreich eine Streiterin der Gegenseite war.
    Sie kam herein und gab sich gezwungen normal, als sei mein Auftritt die natürlichste Sache der Welt. »Ich habe versucht, Sie letzte Nacht zu erreichen«, sagte sie und stellte sich vor eine Gaube, die freien Blick auf die Festung und das Käppele gestattete. Den Blick nach hinten vermied sie.
    »Ich war nicht zu Hause, ich meine, ich war zwar hier, aber nicht bei mir. Sie verstehen?«
    Mit Blick auf die Flasche antwortete sie: »Ich befürchte es.«
    Mayfarth war und blieb verschwunden. Ich hatte mich den Abend zuvor auf die Suche nach ihm gemacht, nachdem ich mich aus der lähmenden Gefolgschaft Yasminas gestohlen hatte. Das Schloss an seiner Wohnung hatte mir keine große Mühe bereitet. Ich wartete bis in die frühen Morgenstunden auf ihn, durchsuchte die angestaute Post, Unterlagen, Schreibtisch, Schrankwände und mögliche geheime Staufächer in Boden und Decke nach einem Hinweis, überprüfte das Telefon nach dem zuletzt geführten Gespräch, das Nikola gegolten hatte, überprüfte die Bücher aus seiner umfangreichen Bibliothek auf eine erhellende Notiz, bis ich schließlich bei Tagesanbruch erfolglos in meine Wohnung zurückgekehrt war. Nichts hatte ich in der Hand, was meine These vom Mord eines Priesters an einem anderen untermauern, geschweige denn beweisen konnte. Einzig Mayfarths Anwesenheit in der Mordnacht, die sich allein auf meine Aussage stützte, auf den Schuldvorwurf eines des Mordes dringend Verdächtigen, war mir geblieben.
    Das war nichts. Selbst bei wohlwollendster Betrachtung würde man es als einen unhaltbaren Vorwurf an einen unbescholtenen und vor allem angesehenen Bürger dieser Stadt werten, der zudem in seiner Eigenschaft als Priester und hoch stehender Funktionär des Bistums non disputantum, quasi unantastbar, war. Was blieb, waren meine verräterischen Spuren an gleich zwei Tatorten in unmittelbarer Folge. Sie reichten aus, um mir den Prozess zu machen.
    Dieselben Überlegungen musste auch Mayfarth anstellen. Wer konnte ihm beweisen, dass er in der Mordnacht bei Nikola gewesen war? Die Spurensicherung hatte bis auf meine Abdrücke keinen anderen separieren und eindeutig zuordnen können. Sofern es keine Zeugen gab, war er aus dem Schneider. Das musste er wissen. Es gab nicht einen ersichtlichen Grund, warum er nicht ganz normal am nächsten Morgen zur Arbeit erschienen war.
    Meine Antwort lautete, dass er entweder eine eindeutige Spur hinterlassen hatte, um deren baldige Aufdeckung er fürchtete, oder dass es vielleicht doch einen Zeugen gegeben hatte. Letzteres war unwahrscheinlich. Die Gemeinde war zutiefst aufgerüttelt, jede noch so unbedeutende Begebenheit in dieser Nacht wäre umgehend gemeldet worden. Blieb letztlich die Spur, die er hinterlassen hatte und bisher von Heinlein und den Kollegen nicht ausfindig gemacht werden konnte.
    Nun, daran konnte ich nichts ändern. Heinlein wusste Bescheid, und er hatte mir versprochen, am Tatort und im Pfarrhaus alles noch einmal genauestens durchzugehen. Ein mögliches Ergebnis musste ich abwarten. Was jedoch keinen Aufschub duldete, war das Auffinden der Tatwaffe. Sie könnte Mayfarth überführen, egal welche Ausflüchte oder Alibis er bei seinem Auftauchen für die Tatzeit anführen würde. Diese konnten der Wahrheit nicht standhalten, denn sie würden früher oder später in sich zusammenbrechen, wie ich es schon hundertmal in anderen Fällen

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