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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Konstablerwache in Frankfurt und natürlich die Paulskirche mit der Nationalversammlung – die Anfänge der Demokratie in Deutschland.
    Yasmina musterte sie aufmerksam.
    »Die deutschen Burschenschaften waren der wichtigste Träger des nationalen Freiheitsund Einheitsgedankens. Sie trugen die Botschaft des Hambacher Festes von 1832 in den gesamten deutschen Liberalismus. In der Nationalversammlung waren bis zu 156 Burschenschafter neben zahlreichen weiteren Korporierten vertreten«, erklärte der junge Mann stolz.
    »Und wer ist das hier?«, fragte Yasmina und zeigte auf ein Bild, das einen Vertreter der Nationalversammlung porträtierte.
    »Das ist Heinrich von Gagern, der erste Parlamentspräsident und ebenfalls Burschenschafter. Wussten Sie das nicht?«
    »Ich bin Italienerin.«
    Der junge Mann wandte sich enttäuscht ab.
    »Wer hat Sie eigentlich so zugerichtet?«, fragte ich.
    »Ich hatte gestern Abend meine zweite Fuxenpartie, und mein Gegenpaukant war entsprechend meinen fechterischen Fähigkeiten gut ausgesucht, aber irgendwie ging die Sache für mich in die Hose.«
    »Fuxenpartie … Gegenpaukant?«, fragte Yasmina.
    »Fux bedeutet, dass ich noch in der Probezeit bin, und eine Partie ist hier bei uns ein Waffengang über fünfundzwanzig so genannte Gänge mit jeweils vier Hieben, die abwechselnd und auf Kommando des Sekundanten geschlagen werden. Und ein Paukant ist ein Übender, so wie das ›Pauken‹ in der Schule.«
    »Und Ihr Gegner hat Sie immer nur auf den Kopf geschlagen? Das muss doch wehtun«, legte Yasmina nach.
    »Stechen wie in diesen Mantel-und-Degen-Filmen darf man nicht. Das ist streng geregelt. Es wird nur über den Kopf auf den anderen geschlagen. Erwischt es einen, wird der Gang unterbrochen und sofort genäht. Ohne Narkose, versteht sich. Ich weiß, dass viele da draußen ein sonderbares Verständnis von dem haben, was wir hier tun und warum wir es tun.«
    Ich verstand nur Bahnhof, so seltsam entrückt kamen mir diese Gepflogenheiten und Bezeichnungen studentischen Selbstverständnisses vor. »Und, wieso tun Sie es?«, fragte ich, bevor wir den so genannten Paukboden betraten.
    »Im Grundsatz geht es darum, dass wir als StudentenVerbindung für drei Werte stehen: Ehre, Freiheit und Vaterland. Diese gilt es nach außen und nach innen zu vertreten. Für einen schlagenden Studenten, wie in meinem Fall, heißt das, dass er sich insgesamt vier Pflichtpartien stellen muss, die man auch als Ausdruck seiner Ernsthaftigkeit gegenüber der Gemeinschaft und ihren Werten verstehen kann. Das ist ein gutes Regulativ, um sich gegen Schmarotzer und Trittbrettfahrer zu erwehren, da wir natürlich aufgrund unserer Verbindung auch über bestimmte Vorteile verfügen, wie zum Beispiel günstiges Wohnen oder Zugang zu einem elitären studentisch-wissenschaftlichen Kreis. Glauben Sie mir, wenn die Studenten mit dem Schläger in der Hand für ihre Verbindung einstehen müssen, trennt sich die Spreu vom Weizen.«
    »Und dafür lassen Sie sich abstechen?«
    »Wir stechen nicht!«
    Wir kamen in einen großen, hellen Raum im Dachstuhl, der vom Geruch nach Schweiß und Blut erfüllt war und in dem man die Anfeuerungsrufe der gegnerischen Parteien der letzten Nacht immer noch zu hören meinte. An der Wand waren Übungshelme mit Drahtgeflecht-Visier, gefütterte Stulpen zur Abwehr der Hiebe und zum Schutz des Kopfes und eine beträchtliche Anzahl der gesuchten Schläger aufgereiht. Davor ein seltsames Artefakt, das Phantom, ein massiver, schädelgroßer Ball aus Gummi, der auf einem Stab in Augenhöhe aufgespießt war.
    Ich machte mich gleich daran, die Schläger nach den geforderten Kriterien zu untersuchen. Zu meiner Überraschung musste ich jedoch feststellen, dass die Schneiden stumpf und ziemlich abgenutzt aussahen.
    »Damit kämpfen Sie?«, fragte ich ungläubig.
    »Nein, natürlich nicht. Das sind unsere Übungsschläger. Warten Sie, ich zeig’s Ihnen.«
    Er nahm einen Schläger von der Wand und postierte sich rund einen Meter vor dem Phantom.
    »Normalerweise würde ich jetzt eine Schutzbrille für Augen und Nase und einen Stulpen für den Fechtarm tragen. Mein Gegenpaukant und ich stehen uns also gegenüber und warten auf das Kommando des Sekundanten. Dann wird abwechselnd geschlagen.«
    Er legte den Fechtarm mit dem Schläger vorsichtig über den verbundenen Schädel und schlug unvermittelt auf den Gummiball vor sich ein. Die Klinge bog sich um den vermeintlichen Kopf des Gegners und hinterließ eine

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