Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
erlebt hatte. Kein falsches Alibi war von Dauer, ein jedes hatte seinen Schwachpunkt, man musste ihn nur finden.
Die Tatwaffe war der Schlüssel zu meiner Entlastung. Fände ich sie, würde sie auf den Mörder Mayfarth zeigen. Doch wo sollte ich suchen? Ich wusste ja nicht einmal, um welchen Gegenstand es sich handelte. Pias Hinweise auf ein Hackmesser oder ein Schwert waren dünn. In Mayfarths Küche war mir kein vergleichbares Küchengerät aufgefallen, im Pfarrhaus hatte ich nicht danach gesucht, was mittlerweile auch zu spät war. Das musste Heinlein klären.
Blieb das Schwert: eine scharfe, gepflegte und vor allem schwere Waffe, mit einer Scharte an der Klinge, hatte Pia gesagt. Wie würde ein Akademiker wie Mayfarth an ein derartiges Gerät kommen und wo und wie hätte er es entsorgt? Eine Tatwaffe mit sich herumzutragen und darauf zu warten, dass man ihn damit entdeckte, nein, für so dämlich hielt ich ihn nicht. Also musste ich herausfinden, wie er in ihren Besitz gelangt war.
Wieder fielen mir Pias Worte ein. »Kampfsportschulen bis hin zu schlagenden Verbindungen.« Als einen Samurai schätzte ich Mayfarth nicht ein, aber als Sprössling einer Studentenverbindung schon eher. Auch wenn er nicht in Würzburg studiert haben sollte, so kannten sich die ehemaligen Schwertschwinger und späteren »Alten Herren« untereinander und waren sich in fremden Städten gegenseitig Gast. Vielleicht übten sie gelegentlich noch mit den Schwertern. Das war meine Chance.
Als ich nach einer Dusche gestriegelt und bekleidet zu Yasmina zurückkehrte, war sie in ein Buch vertieft, das ich in der vergangenen Nacht bei Mayfarth hatte mitgehen lassen.
»Wir sollten nochmal die Umgebung am Tatort nach dem Papyrus absuchen. Vielleicht haben wir etwas übersehen«, sagte sie, ohne den Blick zu heben.
»Später. Vorher werden wir den Säbelschwingern in der Stadt einen Besuch abstatten. Wäre gelacht, wenn wir dabei nicht auf unseren Zorro stoßen würden.«
»Wir verschwenden wertvolle Zeit. Lassen Sie uns zuerst nach dem Papyrus suchen und dann …«
»Ich sagte Ihnen bereits, die Richtung bestimme ich.«
»Ihnen ist nicht zu helfen.«
Sie nahm das vor ihr liegende Buch in die Hand und prüfte das Impressum.
»Die Iroschottische Mönchskirche des 6. bis 8. Jahrhunderts von Ebrard, Gütersloh 1873. Sie erstaunen mich. Dieses Werk habe ich während meiner Studienzeit kaum in die Hand bekommen. Wo haben Sie es her?«
»Ein Antiquariat hinter dem Dom hatte es im Schaufenster liegen«, log ich. Weder ihr noch dem Bischof hatte ich meinen Mordverdacht bisher mitgeteilt. Ich traute ihnen nicht, da beide mir etwas Entscheidendes verheimlichten. Dessen war ich mir sicher. Es gab ein Geheimnis, das sie – Nikola, der Bischof, Yasmina und Mayfarth – teilten. Alle vier im Dienste des Herrn, auf der Suche nach einem alten Papyrus, der ein tödliches Mysterium in sich barg.
»Eigentlich interessiert mich diese Thematik überhaupt nicht, aber ich muss gestehen, dass das eine sehr spannende Geschichte ist. Sie stützt meine These von der Unvereinbarkeit von Glaube und Macht. Diese Culdeer sind mir sehr sympathisch«, sagte ich.
»Es waren sonderbare Abweichler, die schließlich einsehen mussten, dass es kein Heil außerhalb der Kirche gibt.«
»Für mich klingt das eher nach Unterdrückung und absolutem Herrschaftsanspruch, der nicht den Hauch von Freiheit zulässt. Mit teuflischer Hinterhältigkeit und Boshaftigkeit haben Ihre Leute die Lehre der Iren rücksichtslos ausgerottet. Ihre romhörigen, angelsächsischen Eroberer haben ganze Arbeit geleistet.«
»Sie haben einen sehr verklärten Blick auf die Umstände, die damals geherrscht haben. Ohne die angelsächsischen Missionare hätte sich das Christentum nicht so schnell im damaligen Frankenreich verbreitet. Die Iren mögen vielleicht gute Prediger gewesen sein, aber für Organisation und erfolgreiche Missionierung hatten sie wenig übrig.«
»Sie reden wie ein Manager. Ich frage mich, wie die heutige katholische Kirche aussehen würde, wenn sie nicht von Beginn an auf Hierarchien und starre Dogmen gesetzt, sondern die Menschen mehr mit der Botschaft des Evangeliums vertraut gemacht hätte. Als Atheist kann ich diese peregrinatio pro christo 7 inhaltlich zwar nicht nachvollziehen, aber sie nötigt mir Respekt gegenüber diesen Mönchen ab, die ihren Glauben ernst genommen und auf Reichtum und weltlichen Glanz verzichtet haben. Wenn ich mir die heutigen Manager Ihrer Kirche so
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