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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Die Orgel und die Menge verstummten. Bis zum letzten Räusperer wartete er, bis absolute Stille eingekehrt war.
    »Brüder und Schwestern aller Länder im Herrn«, begann er.
    »Der Herr sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in Finsternis umhergehen, sondern das Licht des Lebens haben. So soll auch euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.«
    Applaus unterbrach ihn in seiner Gewissheit, das Licht des Herrn allen anderen voranzutragen.
    »Ich spreche heute zu euch anstelle meines geschätzten Bruders, Kardinal Esperanza. Er ist verhindert, wie wir alle wissen. Er hat mich gebeten, an seiner statt die freudige Pflicht zu übernehmen und zu euch zu sprechen, wie es Jesus Christus, unser Herr, getan hat: Ich bin das Licht. Wer mir nachfolgt, wird nicht in Finsternis wandeln und errettet werden.
    Diese von Gott erwiesene Gnade lässt sich nicht ermessen. Ist sie doch einem Strom lebendigen Wassers gleich, wie er seit zweitausend Jahren vom Thron Gottes und des Lammes hervorgeht und die Kirche und allen, die in ihr sind, erfüllt. Es ist das Wasser des Geistes, das den Durst stillt und uns erneuert. Diese eine heilige, katholische und apostolische Kirche war von Beginn an Auftrag unseres Herrn. Sie ist der eine und einzige Hort der Errettung. Außerhalb von ihr gibt es kein Heil, sondern nur Verdammnis und Finsternis. Der Kirche zu dienen, heißt dem Herrn zu dienen, denn sie ist sein Auftrag an uns und sie ist sein Heim auf Erden und im Himmelreich.
    Daher gilt es jetzt, die empfangene Gnade zu beherzigen und sie in eifriges Handeln umzusetzen. Ein neues Jahrtausend hat sich im vergangenen Heiligen Jahr dem Lichte des Herrn geöffnet. Viele sind hierher nach Rom gekommen, zum Sitz der einen Kirche, die, wie es geschrieben steht, den Vorsitz in der Liebe innehat. Die Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus und die Liebe zwischen einem jeden von uns. Diese Liebe ist in diesem wunderbaren Licht, das Christus uns nahe gebracht hat. Es ist das Licht, in dem sich die Kirche spiegelt und das auf euch herabscheint. Auch auf jene, die im Schatten stehen. Ich meine die Armen, die Benachteiligten und Hungernden dieser Welt. Ihnen schenke ich meine besondere Aufmerksamkeit. Denn es steht geschrieben: Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.«
    Beifall füllte die Pause, die Armbruster geschickt gewählt hatte. Auf den Videowänden wurden Bilder aus Südamerika eingespielt, wo sich Tausende auf Plätzen versammelt hatten und der Übertragung aus Rom beiwohnten. Schilder, auf denen die Worte »Freiheit«, »Gerechtigkeit« zu lesen waren, sowie Bilder des Gekreuzigten wurden geschwenkt. Der tobende Applaus wurde über die Lautsprecher auf den Petersplatz übertragen.
    »Den Reichen und Mächtigen aber rufe ich zu: Geht, verkauft, was ihr habt, gebt das Geld den Armen und ihr werdet einen bleibenden Schatz im Himmel haben. Selig ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.«
    Die Inszenierung Armbrusters als Erretter der Armen trieb manchem Kardinal in der ersten Reihe den Groll ins Gesicht. Andere wiederum nickten zustimmend, wussten sie doch, dass ihre Reaktion auf Armbrusters Worte von den Kameras eingefangen und in alle Welt ausgestrahlt wurde. Benedetti jedoch hatte Mühe, sich im Griff zu behalten. In ihm gärte der Zorn, und er suchte nach einem Weg, sich unbemerkt aus dieser Veranstaltung zu verabschieden. Als er den langen Gang zum Obelisken hinunterblickte, erkannte er einen Mann, der in einer verschlissenen Mönchskutte, das linke Bein nachziehend und sich auf einen langen Wanderstab stützend, heraufkam. Sein langes, graues Haar umschloss ein ausgemergeltes Gesicht, in dem zwei Augen aus dunklen Höhlen funkelten. Benedetti war nicht der Einzige, der ihn bemerkte. Zwei Schweizergardisten hatten ihn gestellt, drängten ihn zur Seite weg. Ein Mann im Bischofsgewand eilte hinzu und redete beschwichtigend auf die Wachen ein.
    Benedetti erhob sich, ging auf sie zu, begleitet vom anhaltenden Applaus der Einspielung. Je näher er ihnen kam, desto deutlicher wurde dieses merkwürdige Gesicht, das er zu kennen glaubte. Der Bischof von Würzburg bemerkte Benedetti als Erster. Anstatt die Wachen

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