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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Stimmen hinter sich weiß, braucht nur abzuwarten.
    Nachdem Esperanza und Mala Dingkor die Weltbühne des Skandals betreten hatten, konnte Armbruster nur noch sein »Freund« Benedetti gefährlich werden. Dieser vereinigte viele der europäischen und amerikanischen Kardinäle hinter sich. Insbesondere die größte Landesfraktion innerhalb des Kardinalsgremiums, Italien, stand geschlossen zu seinem Kandidaten. Weniger, weil Benedetti bei seinen Landsleuten so beliebt war, 80 Lebensjahren sondern weil nach Auffassung aller Italiener die Reihe an einem der ihren war. Der folgenschwere Fehler, sich, wie bei der letzten Papstwahl, in zwei Gruppen aufzuspalten und einem Polen den Vorrang zu lassen, sollte sich nicht wiederholen. Armbruster hob sich Benedetti bis zum Schluss auf. Zuvor galt es, ein bestelltes Feld abzuernten.
    Weit über hunderttausend Gläubige, die zur geplanten Rede Esperanzas an »alle Völker der Erde« erwartet worden waren, hatten sich trotz der wild kursierenden Gerüchte um Drogen und schwarze Konten am Petersplatz eingefunden. Mit ihnen ein enormes Medienaufgebot.
    Armbruster hatte Benedetti und die anderen Kardinäle bis zum Morgen hinsichtlich seiner Pläne in Unwissenheit gehalten. Jeder war davon ausgegangen, dass Esperanzas Auftritt abgesagt werden würde. Schulter an Schulter saßen die knapp 140 wahlberechtigten Kardinäle in der ersten Reihe vor dem Aufgang zum Petersdom. Keiner hatte Armbrusters Einladung ausgeschlagen, wenngleich die meisten ihn zum Teufel gewünscht hatten. Hinter den Kardinälen erstreckte sich eine überwältigend große Menschenmenge bis zur Engelsburg. Sie wurde von Polizeihundertschaften und bei den Kolonnaden am Petersplatz von der Schweizergarde unter Kontrolle gehalten.
    »Sag, Giulio«, fragte ein Kardinal Benedetti, »weißt du, worüber Armbruster sprechen will, jetzt, wo Esperanza …?«
    Benedetti kochte vor Wut. Wie ein Schuljunge war er von Armbruster vorgeführt worden. Alle mit ihm getroffenen Absprachen hinsichtlich der Fraktionsbildung gegen die anderen Kandidaten waren damit hinfällig geworden.
    »Ich denke, dieser Trick von Zacharias wird ein Nachspiel haben. Er verschafft sich dadurch einen unfairen Vorteil gegenüber uns allen. Die anderen sehen das genauso. Wie steht es mit dir?«
    Die Frage war keine Frage, sondern eine Drohung. Neue Mehrheiten wurden gesucht. Wer stand in wessen Lager? Das war die entscheidende Frage.
    »Ich werde mich mit den anderen besprechen«, lautete die Antwort aus dem Mund des erfahrenen Kirchenpolitikers.
    »Hast du Nachrichten aus Würzburg bekommen?«, fragte Kardinal Jackson seinen Kollegen Veroni. Neben ihnen saß der Rest der Würdenträger schweißtriefend in der grellen Sonne.
    »Der Bischof ist letzte Nacht eingetroffen«, antwortete Veroni.
    »Er hat Alvarez dabei.«
    »Und der Papyrus?«, fragte Makeluma leise.
    »Keine Spur«, erwiderte Veroni enttäuscht. Jackson war ratlos. »Was machen wir jetzt?«
    Veroni zuckte mit den Achseln. »Auf Zeit spielen. Was sonst.« Das Stimmengewirr auf dem Petersplatz verebbte, als über die Lautsprecher der mächtige, alles einnehmende Klang einer Orgel erschallte. Ein Kirchenlied legte sich wie eine Decke über die Menge, begrenzt und getragen von den weiten elliptischen Kolonnaden an den Seiten und der imposanten Front des Petersdoms.
    Inmitten zweier Brunnen ragte der zweitgrößte Obelisk Roms in die Höhe. Vor ihm war das Mischpult des Tontechnikers aufgebaut, der für eine optimale Beschallung des Platzes zu sorgen hatte. Keine leichte Aufgabe, erstreckte sich der Petersplatz über die eineinhalbfache Fläche des Kolosseums, zerklüftet von den 284 Säulen und 88 Pfeilern der Kolonnaden. Vom Obelisken aus verlief ein Gang zwischen den bestuhlten Reihen direkt hoch zum Pult am Eingang des Petersdoms. Ein roter Teppich war ausgelegt worden, über den nun eine Gruppe Kinder aller Hautfarben in weißen Gewändern schritt. Sie sangen zur Orgelmusik ein Lied, übertragen von kleinen ansteckbaren Mikrophonen; in ihren Armen ein Lamm, das sie Armbruster ans Rednerpult brachten. Auf riesige Videowände an den Kolonnaden wurde das Bild auch für die letzten Reihen sichtbar projiziert und von den Kameras in alle Welt transportiert.
    Die Menge war begeistert, die Kardinäle rangen nach Fassung.
    »Das Lamm. Ich glaube es nicht«, lästerte einer. Ein anderer: »Jesus, Maria und Josef!«
    Aus der dunklen Tiefe des Petersdoms trat Kardinal Armbruster im roten Ornat ans Mikrophon.

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