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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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An der Decke mühte sich trunken der vergilbte Propeller eines Ventilators, dessen Daseinsberechtigung sich mehr auf Nostalgie als auf Erfrischung begründete. Durch die Lamellen der Fensterläden wehte erfrischende Abendluft herüber und erleichterte mir das Aufstehen.
    Es war kurz nach 21 Uhr. Das geschäftige Treiben der Bars und Restaurants hatte die Vicolo de Cinque bereits erfüllt, als ich die Fensterläden öffnete und einen Blick über die Dächer riskierte. Die Sonne stand rot glühend einen Daumen breit über dem grünen Monte Gianicolo und tauchte mich in bronzefarbenes Licht. Ich schloss die Augen und nahm einen tiefen Zug dieser samtweichen Melange aus wohliger Wärme, brutzelndem
    Olivenöl und den Gesprächen flanierender Altstadtbewohner. Dazwischen das geschäftige Knattern vagabundierender Vespas. Endlich. Ich war wieder zu Hause.
    »Kiliano«, schallte es aus dem Treppenhaus zu mir hoch, »steh endlich auf. Essen ist fertig.«
    Was will man mehr. Das Leben kann so einfach sein.
    Bevor mich die Dusche vom letzten Rest Deutschland befreite, wagte ich noch einen Blick nach rechts. Hinter den Baumkronen der Platanen an der Villa Farnesia ragte die Kuppel der Basilika di San Pietro mächtig auf. Ihr Glanz trotzte der Sonne ein gehöriges Stück Selbstbewusstsein ab, sodass man fast meinen konnte, das eigentliche Zentrum des Universums befände sich wenige hundert Meter Luftlinie von mir entfernt. Dass ich damit nicht ganz falsch lag, zeigte sich an einer schwarzen Rauchfahne, die sich über den vatikanischen Gebäuden im Himmel verlor.
    Der Abendtisch war reich gedeckt. Enzos Frau Ivana hatte sich ob meiner Anwesenheit ordentlich ins Zeug gelegt. Neben diversen Antipasti, frischem Brot, Oliven und Salaten standen drei Flaschen eines Vino Rosso entkorkt bereit. Aus den Schalen auf der Anrichte roch es verführerisch nach öltrunkenen Kräutern. Ivana selbst hantierte mit einem Gefäß, über dessen Rand Fischköpfe schauten.
    Gedeckt war für sieben. Enzo debattierte bereits mit vier mir unbekannten Gästen über die neuen politischen Verhältnisse im Land und natürlich über den kommenden Papst.
    »Buona sera«, sagte ich, als ich in die Küche trat.
    »Kiliano!«, rief Ivana und nahm mich in den Arm.
    »Ciao, Ivana«, begrüßte ich sie mit aller Herzlichkeit, die ich ihr gegenüber empfand, »es ist schön, wieder bei euch zu sein.«
    »Wo hast du dich nur so lange rumgetrieben? Kein Wort haben wir seit mindestens einem Jahr von dir gehört.«
    »Ich hatte geschäftlich in Deutschland zu tun. Es gab leider wenig Möglichkeit anzurufen.«
    »Er ist und bleibt ein Straßenköter. Untreu und verlogen«, schaltete sich Enzo ein. Er hob sein Glas und schmunzelte mir zu.
    »Sprich nicht so mit meinem Kiliano«, nahm mich Ivana in Schutz. »Du bist der größte Verbrecher von allen.«
    »Und du seine Frau«, quittierte Enzo.
    »Hätt ich nur auf meine Mutter gehört. ›Er taugt nichts‹, hat sie mich gewarnt. ›Ein Lügner und Betrüger ist er. Macht jeder schöne Augen.‹ Dabei war ich so ein hübsches Ding. Jeden hätt ich bekommen können, und ausgerechnet auf dich alten Gauner bin ich hereingefallen. Oh heilige Mutter Maria, vergib mir.«
    »Die Frauen lieben eben die Piraten«, antwortete Enzo.
    »Und heiraten die Belagerer«, komplettierte ich das Sprichwort.
    Ich setzte mich neben zwei Schwarze, die amüsiert meine Begrüßung verfolgt hatten. Die allabendliche Einladung zum Essen war fester Bestandteil der Geschäftsphilosophie Enzos und Ivanas. Bei ihnen zu Gast zu sein, hieß mehr, als nur zu übernachten und zu bezahlen. Die stranieri am Familienleben teilhaben zu lassen war oberste Maxime. Und wenn dabei mal der Haussegen schief hing, ma ché, das war die beste Möglichkeit, eingefleischte Römer bei der Konfliktbewältigung zu beobachten. Da war kein Platz für falsche Scham. Einzige Voraussetzung: Trinkfestigkeit und Lautstärketoleranz.
    »Mein Name ist Jonathan«, stellte sich der Erste vor.
    »Und ich bin Sunday«, sagte der Zweite.
    Sie stammten aus Kenia und waren auf Pilgerfahrt. Neben Enzo saßen Vladimir aus Russland und Serafina aus Portugal. Bei Vladimir war ich mir nicht sicher, ob er nun geschäftlich mit Enzo zugange war oder wirklich nur in der Stadt zu tun hatte. Serafina hingegen war alles andere als verdächtig. Ihr engelsgleiches Gesicht ließ mich auf Sozialarbeiterin tippen. So schlecht lag ich mit meiner ersten Vermutung nicht, denn sie stellte sich als Mitarbeiterin

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