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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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langweilten. Entgegen den dortigen Verhältnissen musste ich auf meiner Seite wenig Acht auf die Carabinieri geben. Trastevere folgte anderen Gesetzen. Streitigkeiten wurden vorwiegend untereinander geregelt, ohne den Einsatz fremder Gewalt. So hielten sich die oft verspotteten Zweierpatrouillen der Carabinieri hier in Grenzen. Ihr vorrangiges Anliegen galt mehr den chaotisch geparkten Autos, die eins nach dem anderen am Haken hingen und Platz für neue Kreativ-Parker machten.
    Die Via della Lungaretta führte mich zu einer Tafel, die in Stein in das angrenzende Haus zur Kirche der heiligen Agata eingelassen war. Eine cucina economica sollte hier sein, eine Armenspeisung, die unter der Schirmherrschaft von Giovanni Paolo II. stand. Um die Tür hing allerlei armseliges Volk in Begleitung vieler Hunde herum, vorwiegend Punks und abgerissene Aussteiger, denen ich sonst nicht gerne begegnet wäre. Einer wie der andere wollte Geld für ein Bier, ein Telefonat oder um dem verkrüppelten Hund ein Gnadenbrot zu ermöglichen. Ich verteilte ein paar Münzen und ging weiter, da die Tür verschlossen war. Auch hier gab es Öffnungszeiten, an die man sich zu halten hatte.
    Vor dem Portal der Kirche lehnte ein Mönch in weißer Kutte mit braunem Schulterteil und Turnschuhen lässig an der Mauer. Auf den Stufen neben ihm saß ein Junge in kurzen Hosen und gekreuzten Beinen. Er äffte das Verhalten der Menschen, die er auf der Piazza vor sich sah, nach. Einer der dort Stehenden fand das überhaupt nicht lustig und beschwerte sich lautstark. Der Junge gab ihm eine entsprechende theatralische Antwort, bis seine Mutter aus der Kirche kam und ihn mitnahm. Während sie in der Menge verschwanden, imitierte der Kleine die Passanten, wie er sie sah. Die Punks erhielten spiegelbildlich ihren eigenen Protest auf die Gesellschaft, wie sie sich mit offenem Mund und verdrehten Augen in der Ecke übergaben. Ein juveniler Spiegel der Gesellschaft.
    Ich betrat die Kirche. Vor mir eine Holztruhe mit Schlitz, darüber war »Offerta« geschrieben. Mit Spenden musste sich diese wie auch viele andere Kirchen über Wasser halten. Von den Milliarden des vatikanischen Vermögens gelangte hierher wohl nichts. Neben mir saß hinter einem Tisch ein Mönch. Vor ihm eine weitere Schale für Geldspenden. Dafür durfte man sich ein kleines Heiligenbild der Agata für das Gesangbuch mitnehmen. Ich legte einen Zehner hinein und betrat das Kirchenschiff. Die Bänke um mich herum waren gut besucht, obwohl es fast 23 Uhr war. Ich blickte mich um, ob ich Ninian nach der Beschreibung Mayfarths entdecken würde. »Mach dir keine Sorgen«, hatte er mir gesagt, »Ninian wird dort sein.«
    Und so war es. Unter dem verblichenen Wandfresko von Biagio Puccini aus dem Jahr 1713 fand ich Bruder Ninian. Er war ein rundlicher, kleiner Kerl mit gebräunter Glatze und einem schelmischen Lächeln. Er hatte eine Gruppe um sich versammelt und wies auf die Restaurierungsarbeiten am Fresko. Doch was ihn für mich identifizierte, war sein verkrüppelter linker Arm, den er wie eine Kralle an sich gepresst hatte.
    Ich setzte mich in eine Bank und wartete. Um mich herum Römer, jung und alt, auf einen Sprung hereingekommen und fünf Minuten im Gebet versunken, bevor sie wieder ihres Weges gingen. Die Gruppe um Ninian löste sich unter schüchternem Beifall auf. Das Geld, das sie ihm zusteckten, fasste die Kralle unerbittlich fest. Auf dem Weg zum Opferstock kam er an mir vorbei. Ich schaute ihm in die Augen und erntete ein selig strahlendes Lächeln.
    »Ninian?«, flüsterte ich ihm zu.
    »Kilian aus Würzburg?« Ich nickte.
    »Schön, dass du es geschafft hast. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Komm mit. Hier ist es zu unruhig.«
    Ich folgte ihm hinaus. Wir überquerten den Lungotevere degli Anguillara, ohne von den Autos auf den Kühlergrill genommen worden zu sein, und stiegen danach die Stufen zum Tiber hinunter.
    Von hier aus hatte man einen beeindruckenden Blick auf das nächtliche Castel Sant’ Angelo flussaufwärts, das wie die zahlreichen Brücken prächtig beleuchtet war. Über ihnen zwängten sich die Ambulanzen mit ihren zänkischen Martinshörnern, die ihnen vor allen anderen Vorfahrt im Straßengewirr sichern sollten. Gerade als wir die letzte Stufe erreichten, bog lärmend eine Ambulanz auf die Ponte Cestio über uns ein, um die Fracht im Ospedale Fatebenefratelli zu löschen. Das Hospital der »Brüder, die Gutes tun« lag auf der einzigen Insel im Stadtbereich, der Isola

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