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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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verwandelte sich in Matsch, in dem sowohl Karren als
auch Menschen und Tiere stecken blieben; Hitze und
Luftfeuchtigkeit wurden fast unerträglich. Der Tross dehnte
sich bald über eine Länge von mehreren Kilometern aus
– eine einzige Kette des Leidens, die ihre Spur in Form
irreparabler Ausrüstungsgegenstände, toter Tiere und,
nach nur wenigen Tagen, toter Menschen zurückließ.
    Casey konnte den Anblick der Inderinnen, die mit riesigen
Bündeln auf dem Kopf hinter den Karren oder den Kamelen
herstapfen mussten, nicht ertragen. Als Ruddy eines Tages
sinnierend zu ihm sagte: »Haben Sie bemerkt, wie viele
Dinge diesen Eisenzeitknaben noch fehlen? Ich meine damit nicht
bloß das Augenfällige wie Gaslampen, Schreibmaschinen
und lange Hosen, sondern bestechend simple Dinge wie das Kummet
der Zugtiere… Vermutlich hat eben bisher noch nie jemand
daran gedacht, und sobald es dann einmal erfunden ist, bleibt es auch erfunden…«, da kam Casey eine
Idee. Er skizzierte eine einfache Schubkarre und ging damit zu
Alexanders Ratgebern. Hephaistion wollte von seinem Vorschlag
nichts wissen, und selbst Eumenes war skeptisch, bis Casey in
aller Eile einen Prototyp in Spielzeuggröße
zusammenbastelte, um zu demonstrieren, was er im Sinn hatte.
    Beim nächsten Nachtlager befahl Eumenes die Herstellung
so vieler Schubkarren wie nur möglich. Es gab wenig frisches
Holz, aber die Männer entdeckten einen versunkenen Lastkahn
und brachten die brauchbaren Bretter an Land, um sie zu
verarbeiten. Und so bauten die Zimmerleute an diesem ersten Abend
nach Caseys Anordnungen mehr als fünfzig verwendbare
Schubkarren zusammen und am zweiten Abend, nachdem sie aus den
Fehlern des ersten gelernt hatten, mehr als hundert. Doch das
hier war eine Armee, die es geschafft hatte, an den Ufern des
Indus eine ganze Flotte aus dem Boden zu stampfen; verglichen
damit war das Zusammenbasteln von ein paar Schubkarren kein
besonderes Kunststück…
    An den ersten beiden Tagen danach führte der Weg des
Trosses über einen harten, steinigen Untergrund, und die
Schubkarren funktionierten tadellos. Gar nicht schlecht, wenn man
so den Frauen aus Alexanders Tross zusah, wie sie froh und
glücklich Schubkarren vor sich her schoben, die geradewegs
aus einem Gartencenter in Mittelengland hätten stammen
können – hoch beladen mit allerlei Krimskrams und
Kindern, die obenauf saßen. Doch dann begann der Weg wieder
matschig zu werden, und die Räder der Schubkarren
fraßen sich darin fest, worauf die Mazedonier sich voll
Spott und Hohn über die neumodische Technologie von ihnen
trennten.
    Etwa alle drei Tage ankerten die Schiffe vor der Küste,
um Vorräte an Bord zu nehmen. Von den Truppen, die über
Land marschierten, wurde erwartet, dass sie sich selbst und
dazu noch die Besatzung und Passagiere der Schiffe mit dem
versorgten, was das Land hergab. Doch je weiter das Indusdelta
hinter ihnen lag, desto schwieriger war dies, denn die Gegend
wurde zusehends unfruchtbarer.
    Und so fügten die Seeleute ihrem Speiseplan alles hinzu,
was sich in den Tümpeln fand, die das Meer bei Ebbe
hinterließ: Scheidenmuscheln, Austern und Miesmuscheln. Als
Bisesa einmal an einem solchen fröhlichen Sammeleinsatz
teilnahm, durchbrach ein Wal die Wasseroberfläche und blies
seine Fontäne gefährlich nahe an einem der verankerten
Schiffe in die Luft, was den Mazedoniern eine Höllenangst
einjagte; die Inder lachten nur. Doch eine Truppe
Fußsoldaten rannte brüllend ins Wasser und
hämmerte mit Schilden, Speeren und den flachen Klingen ihrer
Schwerter auf die Wellen. Das nächste Mal kam der Wal
hundert Meter weiter von der Küste entfernt zum Vorschein
und wurde danach nicht mehr gesichtet.
    Welchen Weg auch immer das Heer nahm, stets wurden Späher
ausgesandt, und das Land wurde vermessen und kartografiert, wie
es bei Alexanders Armee immer schon üblich gewesen war. Das
Anfertigen von Landkarten war auch für die Briten ein
entscheidendes Mittel zum Aufbau und Erhalt ihres Imperiums, und
nun gesellten sich den mazedonischen Kundschaftern britische
Kartografen hinzu, die mit Theodoliten ausgerüstet waren.
Wohin sie auch kamen, überall wurden neue Landkarten
gezeichnet und mit den alten verglichen, die aus der Zeit vor der
Diskontinuität stammten.
    Doch Menschen begegneten sie nur selten.
    Einmal trafen die Armeekundschafter auf etwa hundert
Männer, Frauen und Kinder, gekleidet, wie sie nach ihrer

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