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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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ausging, von dem er annahm, es stamme aus Babylon. Der
Inhalt blieb immer gleich: ein bloßes Zirpen – ein
rasches Durchlaufen aller Frequenzen, wie ein technisches
Testsignal. Doch es wiederholte sich unaufhörlich, wieder
und immer wieder. Casey führte Aufzeichnungen über
seine Beobachtungen – Standort, Uhrzeit, Signalstärke
und Peilung –, und seine groben trigonometrischen Messungen
sprachen weiterhin für eine Quelle innerhalb Babylons.
    Und dann waren da noch die Augen – vielmehr ihr Fehlen.
Je weiter sie nach Westen vordrangen, desto seltener wurden sie,
bis Bisesa eines Abends merkte, dass sie einen ganzen Tag
unterwegs gewesen waren, ohne einem einzigen begegnet zu sein.
Keiner hatte eine Idee, was davon zu halten war.
    Schließlich kamen sie wieder an einen
Übergangspunkt von einem Stück Zeit in ein anderes. Die
Vorhut stieß auf grünes Land, dessen Grenzlinie
kerzengerade vom nördlichen Horizont zum südlichen
verlief. Die Truppe hielt auf der ausgetrockneten Seite der
Grenze an.
    Westlich davon war das Land in vieleckige Felder zerteilt,
zwischen denen sich glitzernde Kanäle dahinzogen. Da und
dort sah man strohgedeckte Lehmhütten, plump und
hässlich wie Klumpen nasser Erde. Die Hütten waren ohne
Zweifel bewohnt, denn Bisesa sah, dass aus einigen von ihnen
Rauchfahnen aufstiegen. An Pfosten festgebundene Ziegen und
Ochsen kauten geduldig an Getreidestoppeln oder Gras, aber kein
Mensch war zu sehen.
    Abdikadir stand neben Bisesa. »Babylons berühmte
Bewässerungskanäle.«
    »Das müssen sie wohl sein.«
    Einige der Kanäle waren Fortsetzungen der trockenen,
verödeten Gräben, die sie zuvor schon bemerkt hatte
– Teile der selben uralten Anlagen, durch Jahrhunderte
voneinander getrennt. Doch dieses brutale Aneinanderkoppeln
verschiedener Epochen verursachte sichtlich praktische Probleme:
Kanalsegmente aus späteren Zeiten – die durch Erosion
versandeten Gräben – schnitten die Kanäle von
ihren Zuflüssen ab, und einige davon waren fast
ausgetrocknet.
    »Wir wollen ihnen den Weg zeigen«, sagtet
Abdikadir, machte einen entschlossenen Schritt nach vorn und
querte die unsichtbare, nicht greifbare Linie zwischen den beiden
Welten.
    Die Truppe folgte und setzte ihren Marsch fort.
    Die Fruchtbarkeit des Landes war augenfällig. Die meisten
Felder schienen Weizen einer hoch wachsenden Art mit dicken
Ähren zu tragen, die selbst der Bauerntochter Bisesa
unbekannt war. Aber es gab auch Hirse und Gerste und da und dort
Dattelpalmen in üppigen Beständen. Dereinst, sagte
Cecil de Morgan, würden die Babylonier diese Palmen und ihre
dreihundertsechzig Verwendungszwecke – einen für jeden
Tag ihres Jahres – in Liedern preisen.
    Ob sich nun die Bauern versteckt hielten oder nicht, dies war
jedenfalls kein menschenleeres Gebiet, und es waren die
Früchte dieser Felder, von denen Alexanders Armee
abhängig sein würde. Sanfte Diplomatie würde da
gefragt sein, vermutete Bisesa. Der König verfügte
über die Kriegsstärke, um sich zu nehmen, was immer er
begehrte, aber die Einheimischen kannten das Land, und seine
riesige hungrige Armee konnte sich keinen einzigen Ernteausfall
leisten. Vielleicht sollte Alexanders oberste Priorität
darin liegen, seine Soldaten und Pioniere das
Bewässerungssystem wieder instand setzen zu
lassen…
    Abdikadir sagte: »Wisst ihr, es ist einfach
unmöglich zu glauben, dass dies hier der Irak ist, dass wir
nur etwa hundert Kilometer oder so südwestlich von Bagdad
stehen! Der landwirtschaftliche Reichtum dieses Landes hat
Jahrtausende lang ganze Imperien vorangetragen!«
    »Aber wo sind all die Menschen?«
    »Kannst du es diesen Bauern verdenken, wenn sie sich
verstecken?«, sagte Abdi nachdenklich. »Ihr
fruchtbares Ackerland wird plötzlich halbiert und durch eine
Halbwüste ersetzt. Ihre Kanäle führen kein Wasser
mehr. Ein ätzender Regen vernichtet ihre Ernte. Und was
bewegt sich daraufhin drohend vom Horizont her auf sie zu? Die
größte Armee, die die antike Welt je gesehen
hat… Ah!«, rief er aus und zeigte in westliche
Richtung. »Dort!«
    Mit einiger Anstrengung konnte Bisesa weit entfernt
Gebäude ausmachen, eine verschachtelte Mauer und etwas wie
eine Stufenpyramide, alles hinter einem grauen, verschwommenen
Schleier, den die Entfernung erzeugte.
    »Babylon«, flüsterte Abdikadir.
    »Und das dort ist der Turm zu Babel«,
verkündete Josh.
    »Heilige Scheiße«, sagte

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