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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Bisesa her. »Wenn das hier Babylon
ist, wo sind dann die Hängenden Gärten?«
    »In Ninive«, antwortete das Telefon trocken.
    »Keine Menschen«, murmelte Josh unsicher.
»Man erkennt Schäden – Spuren von Feuer, von
Plünderungen, vielleicht handelt es sich sogar um die Folgen
eines Erdbebens –, aber immer noch keine Menschen! Es wird langsam unheimlich.«
    »Ja, ja«, knurrte Casey, »alle Lichter an,
aber niemand zu Hause.«
    »Habt ihr bemerkt«, fragte Abdikadir leise,
»dass die Mazedonier auch ziemlich beeindruckt wirken? Und
sie waren doch erst vor kurzem hier…«
    Es stimmte. Selbst der abgeklärte Eumenes ließ den
Blick voll ehrfürchtigem Staunen von einem Gebäude zum
anderen wandern.
    »Es wäre natürlich auch möglich«,
überlegte Bisesa, »dass dies hier nicht das Babylon
ist, das sie kennen.«
    Der Zug begann sich aufzulösen; Alexander und Hephaistion
machten sich mit einem Großteil der Garde auf den Weg
zurück zum königlichen Palast, der in der Nähe des
Tores stand. Andere Teile der Truppe bekamen den Auftrag, sich in
der Stadt umzusehen und nach Einwohnern zu suchen. Die
gebieterischen Stimmen der Kommandierenden hallten von den
blanken Wänden der Tempel wider, und de Morgan erklärte
dazu, sie würden ihre Männer vor den Konsequenzen
warnen, die jeder Versuch zu plündern nach sich zöge.
»Aber ich kann mir nicht vorstellen«, fügte er
hinzu, »dass es jemand wagen sollte, irgendetwas an diesem
beklemmenden Ort anzurühren!«
    Bisesa und die anderen setzten ihren Weg zusammen mit Eumenes
und einer Hand voll seiner Berater und Wachen auf der
Prachtstraße fort. Sie führte durch eine Reihe
mauergesäumter Marktplätze und endete schließlich
an dem pyramidenartigen Bau, den Bisesa schon von weit
außerhalb der Stadt erblickt hatte. Es war ein Zikkurat,
ein siebenstufiger Turm, dessen quadratische Basis eine
Seitenlänge von mindestens hundert Metern haben musste.
Bisesas Gefühl nach sah der Bau aus wie etwas, das besser
über einer Mayaansiedlung aufragen sollte als über
dieser Stadt, wo man eher Pyramiden der ägyptischen Art
erwartete. Südlich des Zikkurats stand ein Tempel, den das
Telefon als Esagila identifizierte – das Heiligtum
des Marduk, des Hauptgottes der babylonischen
Götterwelt.
    Das Telefon dozierte weiter: »Die Babylonier nannten
diesen Zikkurat das Etemenanki, das heißt
›das Haus, das Fundament von Himmel und Erde ist‹.
Es war Nebukadnezar, der die Juden als Sklavenarbeiter hierher
brachte; aber sie rächten sich ausgiebig, indem sie in der
Bibel kein gutes Haar an Babylon ließen…«
    Josh packte Bisesa an der Hand. »Kommen Sie! Ich
möchte auf diesen missratenen Haufen Steine
klettern!«
    »Wozu das?«
    »Weil es der Turm von Babel ist! Sehen Sie, dort an der
Südseite gibt es eine Treppe!« Er hatte Recht; die
Stufen waren mindestens zehn Schritt breit. »Los, wer ist
der Erste oben!« Er setzte sich in Trab und zog Bisesa an
der Hand hinter sich her.
    An sich war sie durchtrainierter als er; sie war als Soldatin
ausgebildet und stammte aus einem Jahrhundert mit wertvollerer
Nahrung und besserem Gesundheitswesen. Aber er war jünger,
und der schonungslose Marsch hatte ihn härter und
ausdauernder gemacht. Also war es ein ausgeglichenes Rennen, und
so hielten sie einander an der Hand, bis sie beide nach
ungefähr hundert Stufen eine Pause brauchten und sich auf
den harten Stein fallen ließen.
    Von hier oben war der Euphrat ein breites Silberband, das
selbst in dem aschefarbenen Licht des Tages hell glitzernd das
Herz der Stadt durchschnitt. Die Westseite der Stadt war nicht
gut auszumachen, aber hier auf der Ostseite standen die
großartigen Bauten dicht an dicht: Tempel und Paläste,
bei denen es sich wahrscheinlich um Regierungsgebäude
handelte. Die Anlage der Stadt wirkte sehr ordentlich: Die
Hauptstraßen verliefen alle kerzengerade, sie trafen im
rechten Winkel aufeinander, und alle endeten an irgendeinem der
zahlreichen Tore in der Stadtmauer. Die Wände der
Paläste waren wahre Farborgien; jede glatte Fläche war
bedeckt mit mehrfarbigen Fliesen, auf denen Drachen und andere
Phantasiewesen fröhlich herumsprangen.
    »In welcher Zeit befinden wir uns?«, fragte Bisesa
das Telefon.
    »Wenn dies die Ära Nebukadnezars ist«,
antwortete es, »dann ist es wohl das sechste Jahrhundert
vor Christus. Die Perser haben Babylon zwei Jahrhunderte vor
Alexanders Zeit eingenommen und

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