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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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den Tritt gegen Sables Handgelenk, der
ihr die Waffe aus der Hand schleuderte, und einen zweiten, der
sie zu Boden schickte.
    Schwer atmend stand Bisesa über der benommen daliegenden
Kosmonautin. Sie glaubte, Sable riechen zu können –
diesen Gestank nach altem Fett und Milch, genau die
Ausdünstung der Mongolen, mit denen sie gekommen war.
»Sable, hast du wirklich gedacht, das Auge würde sich
auch nur einen Deut um dich und deine schäbigen Ambitionen
scheren? Verfaulen sollst du in der Hölle!« Mit einem
bösen Blick starrte sie das Auge an. »Und du? Hast du
genug gesehen? Ist es das, was du wolltest? Haben wir genug
gelitten für deinen Geschmack?«
    »Bisesa.« Es war ein Stöhnen, kaum als Wort
erkennbar.
    Bisesa rannte hinüber zu Ruddy.

 
{ 36 }
DIE NACHWIRKUNGEN
     
     
    Hephaistion war tot.
    Alexander hatte in einer großen Schlacht unter beinahe
unmöglichen Umständen gesiegt – in einer neuen
Welt und gegen einen Feind, der ihm mehr als ein Jahrtausend
voraus war. Doch der Preis dafür war der Verlust seines
langjährigen Gefährten, seines Liebhabers –
seines einzigen wirklichen Freundes.
    Alexander wusste, was nun, in diesem Moment, von ihm erwartet
wurde; er würde sich in sein Zelt zurückziehen und sich
bis zur Bewusstlosigkeit betrinken; oder er würde sich
überhaupt tagelang weigern zu essen und zu trinken, bis
seine Familie und seine Gefährten sich um seine Gesundheit
sorgen würden; oder er würde den Bau eines
unvorstellbar grandiosen Mausoleums befehlen – vielleicht
in Form eines majestätischen Löwen, dachte er
flüchtig.
    Doch er entschloss sich, nichts davon zu tun. Er würde um
Hephaistion trauern, gewiss, mit sich allein. Vielleicht
würde er anordnen, die Mähnen und Schweife
sämtlicher Rösser im Lager zu stutzen. Homer berichtete
davon, wie Achilles zu Ehren seines geliebten verstorbenen
Patroklos seine Pferde geschoren hatte; ja, auf diese Weise
könnte er, Alexander, Hephaistion betrauern.
    Doch für den Augenblick war zu viel zu tun.
    Er schritt über den blutgetränkten Boden des
Schlachtfeldes und durch die Zelte und Gebäude, in denen die
Verwundeten untergebracht waren. Seine Ratgeber und
Gefährten flatterten ihm besorgt hinterdrein – ebenso
sein Arzt, denn auch Alexander selbst hatte mehr als nur ein paar
Schrammen abbekommen. Die meisten der Männer waren
natürlich froh, ihn zu sehen, und einige von ihnen
rühmten sich der Dinge, die sie in der Schlacht geleistet
hatten; Alexander hörte geduldig und mit unbewegtem Gesicht
zu und lobte sie anschließend für ihre Tapferkeit.
Viele der Verwundeten befanden sich in einem tiefen
Schockzustand, den Alexander jedoch nicht zum ersten Mal sah. Die
Männer saßen dann wie erstarrt da, oder sie sprudelten
ihre unbedeutenden Geschichtchen immer wieder aufs Neue hervor.
Aber wie stets würden sich die Männer erholen, genau so
wie dieser blutgetränkte Boden, wenn der Frühling kam
und neues Gras daraus hervorwuchs. Aber nichts konnte die Wut und
das schlechte Gewissen jener tilgen, die überlebt hatten,
während neben ihnen die Gefährten fielen – ebenso
wenig wie ihr König je Hephaistion aus seiner Erinnerung
tilgen würde.
     
    Ruddy lag an die Wand gelehnt, die Arme schlaff an seinen
Seiten, die Handflächen nach oben gekehrt, die Finger
eingerollt. Seine kleinen, blutverschmierten Hände sehen aus
wie Krabben, sagte sich Bisesa. Blut drang aus einem kleinen Loch
direkt unter seiner linken Hüfte. »Wir sehen viel Blut
heute, Bisesa.« Er lächelte.
    »Allerdings.« Sie zog ein wenig Watte aus der
Tasche und versuchte, sie in das Loch zu stopfen, aber jeder
Herzschlag Ruddys stieß einen neuen Schwall hervor. Sables
Kugel schien eine Beinarterie verletzt zu haben, einen der
Hauptwege, über den das Blut in die unteren
Extremitäten floss. Bisesa hatte keine Möglichkeit, ihn
von hier wegzubringen, es gab keine Sanitäter, die sie
hätte rufen, und keine Transfusion, die sie ihm hätte
verabreichen können.
    Keine Zeit für Gefühle. Sie musste Ruddy als
defekten Motor betrachten, als einen Wagen mit offener
Motorhaube, den sie wieder zum Fahren bringen sollte. Verzweifelt
überlegte sie. Dann riss sie sein Hosenbein auf.
»Versuchen Sie, nicht zu reden. Wir bringen das schon in
Ordnung.«
    »Wie Casey sagen würde: So ’ne
Scheiße!«
    »Casey übt einen schlechten Einfluss auf Sie
aus.«
    »Verraten Sie es mir«, flüsterte

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