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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Umständen war, so meinte Bisesa manchmal, ein
unvollkommenes, unbeholfenes System, durch das mehr Spannungen
und Ressentiments geschaffen als abgebaut wurden. Aber irgendwie
funktionierte es doch – und das schon seit Jahrzehnten.
Vielleicht war es das Beste, was menschliche Wesen und eine
komplizierte, mängelbehaftete und hoch politische
Einrichtung wie die UNO zu Stande bringen konnten.
    Jedermann auf dem Stützpunkt Clavius wusste um die
Wichtigkeit der Aufgabe, dennoch gab es für einen jungen
Soldaten wenige Dinge, die langweiliger waren als die Erhaltung
des Friedens.
    Mit einem Mal wurde der Flug noch weitaus unruhiger. Bisesa
spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte; vielleicht
war es diesmal doch kein solcher Routineeinsatz…
     
    Während der Hubschrauber ungeachtet der Turbulenzen
weiterhin seine Runden zog und die Piloten alle Hände voll
zu tun hatten, redeten sie beide zugleich. Abdikadir versuchte,
den Stützpunkt per Funk zu erreichen: »Alpha Vier
Drei, hier Primo Fünf Eins, over! Alpha Vier
Drei…«, und Casey fluchte – was etwas mit dem
verlorenen GPS-Kontakt zu tun hatte. Bisesa nahm an, dass er den
Hubschrauber von Hand aus durch die unerwarteten Turbulenzen
steuern musste.
    »Autsch!«, sagte Bisesas Telefon wehleidig.
    Sie hob es vors Gesicht. »Was ist los mit
dir?«
    »Ich habe die Verbindung verloren.« Sein
Bildschirm zeigte unterschiedliche Fehlermeldungen. »Ist
mir noch nie passiert!«, sagte es. »Komisches
Gefühl.«
    Abdikadir warf einen Blick nach hinten. »Unsere
Leitungen sind auch beim Teufel. Kein Kontakt zum
Hauptquartier.«
    Etwas verspätet kontrollierte Bisesa ihre Geräte an
der Wand: Sie hatte zu ihrem eigenen Kommandozentrum auch keine
Verbindung mehr, konnte weder senden noch empfangen. »Sieht
aus, als wäre die Kommunikation auch bei mir
ausgefallen.«
    »Na fein«, sagte Abdikadir.
»Militärische und zivile Frequenzen, alle
tot.«
    »Was glaubt ihr? Durch ein Gewitter?«
    »Nicht nach dem, was uns die Arschlöcher vom
Wetterdienst prophezeit haben«, knurrte Casey.
»Jedenfalls habe ich schon öfter Stürme
durchflogen, aber keiner hatte solche Auswirkungen!«
    »Was kann es dann sein?«
    Ein paar Augenblicke lang schwiegen sie alle drei.
Schließlich befanden sie sich über einem Gebiet, wo in
knapp zweihundert Kilometern Entfernung eine Atombombe explodiert
war, und das Zentrum der unglücklichen Stadt war in eine
flach gewalzte Ödnis aus geschmolzenem Glas verwandelt
worden. Zusammenbrechende Kommunikation, Winde aus dem Nirgendwo
– es war schwer, nicht das Schlimmste zu
befürchten.
    »Im besten Falle«, sagte Abdikadir,
»müssen wir annehmen, dass wir gezielt elektronisch
gestört werden.«
    »Au!«, greinte das Telefon
nachdrücklich.
    Besorgt hielt Bisesa es in beiden Händen. Sie hatte das
Telefon seit ihrer Kindheit, es war das Standardmodell, das jedes
zwölfjährige Kind auf dem Planeten gratis von der UNO
erhielt – im bislang bedeutsamsten Versuch dieser betagten,
klapprigen Organisation, die Welt durch die Möglichkeit zur
Kommunikation zu einen. Die meisten dieser uncoolen 08/15-Dinger
landeten recht bald im Müll, doch Bisesa hatte das Motiv
hinter dem Geschenk erfasst und das ihre stets in Ehren gehalten.
Sie betrachtete es beinahe als Freund. »Nur die
Ruhe«, redete Bisesa ihm gut zu, »meine Mutter hat
mir erzählt, als sie jung war, verloren die Telefone alle
Augenblicke ihre Verbindungen.«
    »Du hast leicht reden«, maulte das Telefon. »Mir haben sie den Lebensnerv gekappt!«
    Abdikadir verzog das Gesicht. »Wie kannst du das
bloß aushalten? Ich schalte die Ego-Funktion immer gleich
ab. Furchtbar irritierend.«
    Bisesa hob die Schultern. »Ich weiß. Aber damit
geht auch die halbe Diagnosefunktion verloren.«
    »Und ein Freund fürs Leben«, ergänzte
das Telefon.
    Abdikadir schnaubte missbilligend. »Fang nur nicht an,
Mitleid mit ihm zu haben. Telefone sind wie tolerante Mütter
– nichts Menschliches ist ihnen fremd.«
    Wieder erfasste eine Bö den Helikopter. Der Vogel neigte
sich und flog dann waagrecht weiter über das öde Land,
weg von dem Dorf unten auf dem Boden. »Ich breche die
Bodenrunde ab!«, rief Casey, »viel zu schwierig zu
halten!«
    Abdikadir konnte ein triumphierendes Grinsen nicht
unterdrücken. »Schön zu wissen, dass wir endlich
mal am Limit deiner Kompetenz angelangt sind, Casey!«
    »Leck mich doch«, grollte Casey. »Dieser

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