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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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davon hatten diese
seelenlosen Kästen aus rostigem Metall und Plastik etwas
Deprimierendes an sich. Kein Wunder, dass die Bewohner den
Stützpunkt »Clavius« nannten – nach dem
großen multinationalen Außenposten auf dem Mond.
    Körperliches Training, die Wartung der Ausrüstung
und andere profane Kleinigkeiten standen zwar auf dem
täglichen Stundenplan der Truppen, doch das reichte nicht,
um ihre Zeit auszufüllen und ihre Bedürfnisse zu
befriedigen. So spielten sie in den blechern widerhallenden
Hangars Volleyball oder Tischtennis, und irgendwo fanden immer
scheinbar endlose Poker- oder Rommepartien statt. Obwohl das
zahlenmäßige Verhältnis von Frauen und
Männern etwa fünfzig-fünfzig betrug, war der
Stützpunkt ein brodelnder Pfuhl hitziger sexueller
Betätigung. Unter einigen der Männer schien ein
Wettkampf im Gange zu sein, wer von allen in der
ungewöhnlichsten oder schwierigsten Situation zum
Höhepunkt gelangen konnte – wie etwa »’ne
schnelle Nummer schieben«, während man am Fallschirm
hing.
    In einer solchen Atmosphäre, fand Bisesa, war es kein
Wunder, wenn Männern wie Casey Othic langsam der Verstand
käste.
    Sie selbst hielt sich fern von dieser Art Leistungssport. Und
mit Leuten wie Casey konnte sie es immer noch aufnehmen –
auch heutzutage war die britische Armee kein Hort von Etikette
und Harmonie zwischen den Geschlechtern. Bisesa hatte sogar das
zurückhaltende Interesse Abdikadirs abgebogen;
schließlich hatte sie Myra, ihre Tochter, ein stilles,
ernstes, sehr liebevolles, achtjähriges Kind, für das
jetzt tausende Kilometer weit weg in Bisesas Londoner Wohnung ein
Kindermädchen sorgte. Bisesa hatte kein Interesse an
irgendwelchen Spielchen oder komplizierten Sexpraktiken, um ihre
fünf Sinne beisammen zu halten; für diese Aufgabe hatte
sie Myra.
    Wie auch immer, die Bedeutung des Einsatzes hier motivierte
sie in höchstem Maße.
    Wie schon seit Jahrhunderten war diese Grenzregion zwischen
Pakistan und Afghanistan auch im Jahr 2037 immer noch ein
Spannungsherd. Zum einen stellte das Gebiet einen Testfall
für die fortgesetzte, jedoch labile Waffenruhe zwischen
Christentum und Islam dar, denn zur Erleichterung aller Menschen
– mit Ausnahme der Hitzköpfe und Aufputscher auf
beiden Seiten – hatte der entscheidende »Kampf der
Kulturen« nie wirklich stattgefunden. Dennoch gab es an
einem Ort wie diesem, wo Truppen aus zumeist christlichen
Ländern ein großteils muslimisches Gebiet
überwachten, immer jemanden, der nur darauf wartete, einen
Kreuzzug oder einen Dschihad auszurufen.
    Dazu existierten tödliche lokale Animositäten. Das
gespannte Verhältnis zwischen Indien und Pakistan hatte der
Krieg im Jahr 2020 mit der nuklearen Zerstörung der Stadt
Lahore selbstverständlich keineswegs gebessert, auch wenn
die beteiligten Parteien und ihre internationalen
Hintermänner im letzten Moment vor einer ausgedehnteren
Verwüstung zurückgeschreckt waren. Diese ganze
komplizierte Mischung wurde zusätzlich belastet durch die
Ambitionen, die misslichen Lebensumstände und die leichte
Erregbarkeit der örtlichen Bevölkerung: der stolzen
Paschtunen, die, obwohl hineingezerrt in die zivilisierte Welt,
weiterhin an ihren Traditionen festhielten; sie waren immer noch
gewillt, ihr Heimatland bis zum letzten Blutstropfen zu
verteidigen.
    Doch abgesehen von diesen uralten Kontroversen war es nun auch
das Erdöl, das die restliche Welt zu diesem explosiven Ort
hinzog. Obwohl die Möglichkeiten überwältigend
waren, die die vielversprechendste der neuen Technologien, die
kalte Fusion, auf lange Sicht bot, war die Machbarkeit im
industriellen Maßstab noch nicht erwiesen, und die
weltweiten Vorkommen an Erdöl und Erdgas wurden so schnell
verbrannt, wie sie aus der Erde befördert werden konnten. Wo
also einst das britische Imperium und das zaristische Russland
einander die Stirn geboten hatten, als es um Indiens Reichtum
gegangen war, standen nunmehr die Vereinigten Staaten, China, die
Afrikanische Allianz und die Eurasische Union – alle auf
die Ölreserven in Zentralasien angewiesen – an einem
spannungsgeladenen toten Punkt, total abhängig vom Verhalten
der anderen.
    Die UNO hatte die Aufgabe, hier für Ordnung zu sorgen und
die Einhaltung des Friedens zu überwachen. Es hieß,
dass dieser Landstrich das am genauesten kontrollierte Gebiet der
Erde war. Der Auftrag einer Friedenssicherung unter allen

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