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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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verfluchte Wind kommt aus allen Richtungen. Und seht mal die
Fluktuationen in unserer Geschwindigkeit über Grund! He! Was
ist das?« Er zeigte durch die Glaskanzel hinab zum
Boden.
    Bisesa beugte sich vor und starrte hinunter. Abgestorbenes
Gras und Geäst wurde vom Luftstrom des Rotors seitwärts
geschleudert und legte den nackten Boden frei. In einem Erdloch
da unten konnte Bisesa eine menschliche Gestalt erkennen, die
etwas in der Hand hielt – ein langes, schwarzes Rohr
– eine Waffe!
    Alle drei schrien zugleich auf.
    Und in diesem Moment verschob sich die Sonne wie ein gekippter
Suchscheinwerfer und irritierte Bisesa.
     
    Der Hubschrauber hatte das Kreisen eingestellt und kam direkt
auf ihn zu, die gerundete Front etwas gesenkt, das Heck leicht
nach oben gerichtet. Moallim grinste und umklammerte die Waffe
fester. Er merkte, wie sein Herz klopfte, seine Finger waren
schweißnass, und der Staub geriet ihm in die Augen und
zwang ihn, heftig zu blinzeln. Dies würde die erste wichtige
Tat seines Lebens werden. Wenn er den Hubschrauber zum Absturz
brachte, würde er augenblicklich ein Held sein, und alle
würden ihm Anerkennung zollen, die Kämpfer, seine
Mutter. Und es gab auch ein gewisses Mädchen… Daran
durfte er jetzt nicht denken, denn die Tat musste erst vollbracht
werden.
    Doch nun konnte er im hässlichen Cockpit des
Hubschraubers Menschen sehen, und die Realität des
Ganzen erschreckte ihn plötzlich. Stand er wirklich kurz
davor, menschliches Leben auszulöschen wie das von Insekten,
die man zertrat?
    Der Hubschrauber brauste über seine Stellung hinweg, und
der Abwind, ein mächtiger Faustschlag aus Luft, ließ
seine dürftige Tarnung in alle Richtungen zerstieben. Alle
seine noch vorhandenen Möglichkeiten waren dahin – bis
auf eine: Er durfte nicht zögern, sonst wäre er tot,
noch ehe er seine Pflicht tun konnte.
    Lachend schoss er die Rakete ab.
     
    »Rakete!«, schrie Abdikadir, und Casey zog den
Knüppel hart zurück.
    Bisesa sah den Lichtblitz und eine Rauchspur, die näher
kam. Der darauf folgende heftige Stoß fühlte sich an,
als wäre der Helikopter über eine Bodenschwelle am
Himmel gerumpelt. Unvermutet wich der übliche Lärm im
Cockpit einem ohrenbetäubenden Getöse, und durch einen
Riss in der Kanzel pfiff der Wind herein.
    »Scheiße!«, rief Casey, »es hat ein
Stück aus dem Heckrotor gerissen!«
    Als Bisesa sich umdrehte, sah sie das verbogene Metall und
dazu einen feinen Sprühnebel, wo Öl aus einem
geplatzten Rohr strömte. Der Rotor selbst funktionierte
noch, und der Vogel flog weiter. Aber in diesem Moment war alles
anders geworden; attackiert vom Lärm und vom Wind
fühlte sie sich nackt und entsetzlich verwundbar.
    »Bis auf den Öldruck alle Sollwerte
vorhanden«, verlautbarte Casey. »Und wir haben einen
Teil des Heckrotorgetriebes verloren.«
    »Eine Weile tut es der Vogel auch ohne Öl«,
sagte Abdikadir.
    »So steht’s im Handbuch. Aber wir müssen
umkehren, wenn wir es nach Hause schaffen wollen.«
Versuchsweise bewegte Casey einen Knüppel, wie um die
Folgsamkeit des verwundeten Vogels zu testen. Der Hubschrauber
erschauerte und begann zu bocken.
    »Sagt mir, was da los ist!«, murmelte Bisesa.
    »Es war ein tragbarer Raketenwerfer«,
erklärte Abdikadir. »Hör mal, Bisesa, du hast
doch auch an den Einsatzbesprechungen teilgenommen! Hier ist
jeder Tag ein ›Tod-den-Amerikanern-Tag‹!«
    »Ich meine nicht die Waffe. Ich meine das!« Sie zeigte aus dem Fenster nach Westen, in die Richtung, die sie
eingeschlagen hatten, auf die rote, versinkende Sonne.
    »Das dort ist bloß die Sonne«, fauchte
Casey, dem es offensichtlich schwer fiel, seine Aufmerksamkeit
auf etwas zu richten, was außerhalb des Cockpits lag. Und
dann sagte er: »Oh!«
    Vor dem Start, der nicht länger als eine halbe Stunde
zurücklag, hatte die Sonne hoch am Himmel gestanden. Jetzt
hingegen…
    »Sagt mir, dass ich sechs Stunden geschlafen
habe«, murmelte Casey. »Sagt mir, dass ich
träume!«
    Bisesas Telefon meldete sich zu Wort: »Ich bin immer
noch abgeschnitten von der Welt! Und ich fürchte
mich!«
    Bisesa lachte kurz auf. »Du bist zäher als ich, du
kleines Luder!« Sie zog den Zipp ihrer Jacke auf und
steckte das Telefon in eine tiefe Innentasche.
    »Nichts geht mehr!«, rief Casey und begann die
Kehrtwende.
    Der Motor heulte schrill auf.
     
    Die plötzliche Hitze des Flammenstrahles verbrannte ihm
die Haut, und

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