Die Zeit-Odyssee
Hochsommer sein, aber ich habe niemals einen Sommer wie diesen
erlebt… Dazu diese Heuschrecken und andere
Insektenplagen…«
Das Wiederherstellungsprogramm war freilich eindrucksvoll,
auch wenn es nur langsam ins Rollen gekommen war. Die Aufgabe,
Babylon vor den Mongolen zu sichern, war seit langem erledigt,
und es gab kein Anzeichen dafür, dass es in nächster
Zukunft zu einem Wiederaufleben der mongolischen Bedrohung kommen
könnte. Alexanders Botschafter berichteten von der
völligen Fassungslosigkeit der Mongolen angesichts der
plötzlichen Menschenleere südlich von ihnen, in China
– fünfzig Millionen Menschen, die sich in Luft
aufgelöst hatten.
Der Kampf mit den Mongolen war ein großes Abenteuer
gewesen, aber er hatte nur als Ablenkungsmanöver gedient.
Nachdem die Schlacht gewonnen war, hatte sich ein intensives
Gefühl der Ernüchterung über Briten, Mazedonier
und die Besatzung des Hubschraubers gelegt, und alles in Babylon
stand mit einem Mal der unangenehmen Wahrheit gegenüber,
dass dies ein Feldzug war, von dem es keine Heimkehr gab.
Danach hatte es einige Zeit gedauert bis zur Entdeckung eines
neuen Zieles: eine künftige andere Welt aufzubauen. Und
Alexander mit seinem unbeugsamen Willen und seiner Energie hatte
sich beim Hinarbeiten auf dieses Ziel als Schlüsselfigur
erwiesen.
»Und woran arbeitet der König selbst?«
»Daran.« Eumenes zeigte mit einer würdevollen
Handbewegung auf das zeremonielle Herz der Stadt.
Abdi sah, dass man ein großes Areal freigeräumt und
die untersten Stufen von etwas errichtet hatte, das wie der
Unterbau eines neuen Zikkurats aussah. Er pfiff durch die
Zähne. »Das könnte es dereinst sogar mit dem
alten Turm zu Babel aufnehmen!«
»Vielleicht wird es das. Dem Namen nach ist es ein
Denkmal für Hephaistion; sein tieferer Sinn wird es sein, an
die Welt zu erinnern, die wir verloren haben. Diese Mazedonier
hatten schon immer viel übrig für die
Gedenkstätten ihrer Toten. Und ich glaube, Alexander hat den
Ehrgeiz, die riesigen Grabmale, die er einst in Ägypten sah,
in den Schatten zu stellen. Doch so, wie die Dinge draußen
auf den Äckern stehen, ist es schwierig, die
Arbeitskräfte für solch ein Unterfangen abzustellen,
wie großartig es auch immer ausfallen mag.«
Abdikadir sah forschend in die scharf geschnittenen
Gesichtszüge des Griechen. »Ich habe das Gefühl,
du bittest mich um etwas.«
Eumenes lächelte. »Und ich habe das Gefühl, du
hast auch eine Prise Griechisches in dir. Abdikadir, die Gemahlin
des Königs, Roxana, hat ihm zwar einen Sohn geboren –
einen Jungen, der jetzt vier Jahre alt ist –, sodass wir
einen Thronerben haben, aber Alexanders weiteres Wohlbefinden
für die nächsten Jahre ist von grundlegender
Wichtigkeit für uns alle.«
»Selbstverständlich.«
»Doch dies hier«, fuhr Eumenes fort und
meinte die Docks und die Felder, »ist nicht genug für
ihn. Der König ist ein vielgestaltiger Mann, Abdikadir. Wenn
das jemand weiß, dann ich. Natürlich ist er in erster
Linie Mazedonier – und er trinkt wie einer. Aber er ist
auch fähig zu kalter Berechnung – wie ein Perser; und
er kann ein Staatsmann von verblüffender Reife sein –
dann ist er wie ein Grieche aus den Städten!
Doch ungeachtet all seiner Weisheit schlägt in Alexander
das Herz eines Soldaten, und seine kriegerischen Instinkte liegen
im Wettstreit mit seinem Willen, ein Reich aufzubauen. Ich glaube
nicht, dass ihm das selbst bewusst ist. Er ist dazu geboren,
gegen Männer zu kämpfen, nicht gegen Heuschrecken auf
dem Felde oder Schlick in einem Kanal. Aber lass es uns offen
aussprechen: Es gibt nur noch sehr wenige Feinde da
draußen, gegen die man kämpfen könnte!« Der
Grieche beugte sich zu Abdikadir. »Die Wahrheit ist, er hat
die Aufsicht über Babylonien auf eine Hand voll Männer
abgewälzt, die ihm am nächsten stehen: auf mich,
Perdikkas und Hauptmann Grove.« Perdikkas war einer von
Alexanders altgedienten Feldherren und gehörte zu seinen
engsten Freunden; nach Hephaistions Tod hatte er formell dessen
Titel übernommen, der etwa »Wesir« bedeutete.
Eumenes zwinkerte Abdi zu. »Sie benötigen meine
griechische Gerissenheit, verstehst du, aber ich benötige Mazedonier, um arbeiten zu können.
Natürlich haben wir alle unsere eigene Anhängerschaft
– besonders Perdikkas! Es gibt Cliquen und heimliche
Komplotte, wie es sie immer gegeben hat, doch so lange Alexander
wie
Weitere Kostenlose Bücher