Die Zeit-Odyssee
wir haben die
Erfahrung gemacht, dass die Sache weitaus komplizierter ist, und
für diese Erfahrung haben wir viel Lehrgeld bezahlen
müssen, glaub mir. Ökosphären zu bewahren –
geschweige denn, sie zu reparieren – ist nicht so leicht,
denn eigentlich sind wir nie draufgekommen, wie sie wirklich
funktionieren. Sie bleiben nicht einmal gleich, sie sind
dynamisch, unterliegen großen Zyklen… Das Aussterben
von Arten ist unvermeidlich, es geschieht auch zu den besten
Zeiten. Egal, wie wir es anstellen: Wir können nicht
alles behalten!«
»Was machen wir also?«, fragte Josh. »Zucken
wir bedauernd die Achseln und akzeptieren, was immer das
Schicksal bestimmt?«
»Nein«, sagte Bisesa. »Wir müssen
einfach nur unsere Grenzen akzeptieren. Wir sind nur eine Hand
voll Leute, wir können die Welt nicht retten, Josh. Wir
wüssten nicht einmal, wie. Wir täten besser daran, uns
selbst zu retten. Wir müssen Geduld haben.«
»Geduld, allerdings«, wiederholte Abdikadir mit
grimmiger Miene. »Es bedurfte nur des Bruchteils einer
Sekunde, um der Erde die großen Wunden der
Diskontinuität zu schlagen. Aber es wird Millionen Jahre
bedürfen, um sie zu heilen…«
»Und es hatte nichts mit dem Schicksal zu tun«,
bemerkte Josh. »Wenn die Götter des Auges klug genug
waren, um Raum und Zeit zu zerreißen, könnten sie dann
nicht auch vorhergesehen haben, was mit unseren Ökologien
geschieht?«
Sie verfielen in Schweigen, während die Dschungel von
Griechenland – dicht, schlaff und bedrohlich –
vorbeiglitten.
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ZEUS-AMMON
Italien schien ebenso öde und verlassen wie Griechenland
zu sein. Keine Spur von den Stadtstaaten, die die Mazedonier in
Erinnerung hatten, oder den modernen Städten aus Bisesas
Zeit. Selbst an der Mündung des Tibers wies nichts auf die
ausgedehnten Hafenanlagen hin, die die Römer der Kaiserzeit
zur Entladung der großen Getreidefrachter errichtet hatten,
von denen ihre aufgeblähte Stadt am Leben erhalten
wurde.
Alexander war fasziniert von den Schilderungen, wie Rom, zu
seiner Zeit nicht mehr als ein ehrgeiziger Stadtstaat, eines
Tages ein Imperium beherrschen würde, das dem seinen
ebenbürtig war. Also stellte er eine Hand voll Flussboote
zusammen und führte, unter einem prächtigen
Purpurbaldachin ruhend, einen Erkundungstrupp
flussaufwärts.
Die sieben Hügel Roms waren auf den ersten Blick
erkennbar. Doch außer ein paar hässlichen
Festungswerken, die vierschrötig auf dem Palatin hockten
– genau dort, wo sich dereinst die Paläste der
Cäsaren erheben würden – war die Gegend leer.
Alexander hielt dies für einen grandiosen Scherz und
entschloss sich großmütig, zu schonen, was ihm einst
seinen Rang in der Geschichte streitig machen könnte.
Sie schlugen das Nachtlager in jener sumpfigen Niederung auf,
wo dereinst das Forum Romanum erstehen würde. Wieder zeigte
sich ein erstaunliches Nordlicht, das den Mazedoniern den Atem
raubte.
Bisesa war keine Geologin, dennoch fragte sie sich, welche
Vorgänge tief im Herzen der Erde stattgefunden haben
mussten, als der neue Planet aus grundverschiedenen Fragmenten
des alten zusammengewürfelt worden war. Dieser rotierende
Eisenkern der Erde war so groß gewesen wie der Mond. Falls
das Flickwerk, aus dem Mir nun bestand, bis ins innerste Zentrum
der Welt reichte, dann musste dieser Subplanet tief unter ihren
Füßen jetzt taumeln und rütteln. Der Fluss der
Magmaströme in den äußeren Schichten der Erde, im
Mantel, musste ebenfalls gestört worden sein, wenn hunderte
Kilometer hohe Reservoire geschmolzenen Gesteins aufbrachen und
aneinander gerieten. Vielleicht waren es die Ausläufer der
heftigen Turbulenzen, die sich nun auf der Oberfläche des
Planeten zeigten.
Das Magnetfeld, erzeugt von dem riesigen Eisendynamo des
rotierenden Erdkerns, musste jedenfalls zusammengebrochen sein.
Vielleicht erklärte dies die Nordlichter und das anhaltende
Versagen der Kompasse. Zu normalen Zeiten schützte dieser
magnetische Schild empfindliche Lebensformen vor einem
tödlichen Regen aus dem All: dem Sonnenwind und Schauern aus
schweren Teilchen aus Überresten von Supernova-Explosionen.
In dem Zeitraum, bis das Magnetfeld wiederhergestellt sein
würde, musste es zu Strahlungsschäden kommen – zu
Krebserkrankungen etwa und zu einer Unzahl von Mutationen, von
denen nahezu alle schädlich wären. Und falls die
ohnehin schon arg mitgenommene Ozonschicht
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