Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
auch wenn es ihren Tod
bedeutete.
     
    Einige Tage bevor sie Alexandrien erreichen sollte, steuerte
die Flotte Land an, und zwar dort, wo, wie Alexanders
Landvermesser ihm versicherten, sich Paraetonium befunden hatte,
eine Stadt, die der König einst besucht hatte. Nun war
nichts mehr davon zu sehen. Hier stieß auch Eumenes zu
ihnen. Er sagte, er wolle seinen König begleiten, wenn
dieser erneut in den Spuren der bedeutsamsten Pilgerreise seines
Lebens wandelte.
    Alexander sandte Männer aus, die Kamele zusammentrieben,
welche mit Wasser für einen Fünftagesmarsch beladen
wurden. Rasch formierte sich die Reisegesellschaft – nicht
mehr als ein Dutzend Personen, unter ihnen Eumenes, Josh und
Bisesa, ein paar Leibwächter und selbstverständlich der
König. Die Mazedonier wickelten sich nach Beduinenart in
lange Stoffstreifen: Sie waren schon einmal hier gewesen und
wussten, was auf sie zukam. Also folgten auch die anderen ihrem
Beispiel.
    Vom Meer aus schlugen sie einen Weg in südliche Richtung
ein und folgten der Grenze zwischen Ägypten und Libyen,
einer Kette zerklüfteter Hügel. Als ihre Muskeln und
die Lunge auf die nunmehr ungewohnte körperliche Bewegung
reagierten und die Steifigkeit nachließ, bemerkte Bisesa,
wie alle ihre Gedanken sich in den simplen Wiederholungen der
Schritte aufzulösen schienen. Eine neue Therapie, dachte sie
sarkastisch. Nachts schliefen sie in Zelten und in ihren
Beduinenkleidern, und am zweiten Tag gerieten sie in einen
Sandsturm, einen heißen Blizzard aus rauem Grus. Sie wagten
sich in eine Schlucht, deren Grund merkwürdigerweise mit
Muschelschalen übersät war, durch Landschaften aus
windgeformten Steinskulpturen und über ein
mörderisches, mit Geröll bedecktes Plateau.
    Schließlich erreichten sie eine kleine Oase: Es gab
Palmen und sogar einige Vögel – Wachteln und Falken
–, die hier mitten in einer trostlosen Umgebung aus
Salzwüsten überlebt hatten. Der Ort wurde von der Ruine
einer Zitadelle dominiert, und kleine Heiligtümer standen
schüchtern halb versteckt hinter Pflanzen zwischen den
Quellen. Aber Menschen gab es keine hier, kein Anzeichen von
Besiedlung, nichts als pittoreske Ruinen.
    Inmitten seiner Wachen, die ihm Schatten spendeten, trat
Alexander vor. Er schritt an den zerfallenden Grundmauern
verschwundener Gebäude vorbei bis zu einer Treppe, die einst
zu einem Tempel hochgeführt hatte. Der König war
sichtlich erschüttert, als er die brüchigen Stufen
emporstieg. Er erreichte eine nackte, staubige Plattform und
kniete mit tief gebeugtem Kopf nieder.
    Während sie am Fuß der Treppe anhielten, murmelte
Eumenes: »Schon bei unserem früheren Besuch hier war
dieser Ort uralt, aber er lag nicht in Ruinen. Der Gott Ammon kam
in seinem heiligen Boot, das hochgehalten und getragen wurde von
Geläuterten, und Jungfrauen stimmten göttliche
Gesänge an. Der König besuchte den heiligsten Schrein
von allen, einen winzig kleinen Raum, der mit Palmwedeln
überdacht war; dort zog er das Orakel zu Rate. Nie
enthüllte er, welche Frage er gestellt hatte – auch
mir nicht, ja nicht einmal Hephaistion. Und es war hier, dass
Alexander seiner Göttlichkeit bewusst wurde.«
    Bisesa kannte die Geschichte. Während Alexanders erster
Pilgerreise hatten die Mazedonier den widderköpfigen
libyschen Gott Ammon mit dem griechischen Zeus assoziiert, und
Alexander hätte erkannt, dass Zeus-Ammon sein wahrer Vater
war und nicht König Philipp von Mazedonien. Von diesem
Augenblick an hatte er Ammon für den Rest seines Lebens fest
in sein Herz geschlossen.
    Und nun schien der König am Boden zerstört.
Vielleicht hatte er gehofft, dass das Heiligtum der
Diskontinuität entgangen war, dass dieser Ort, der ihm als
der heiligste galt, verschont geblieben wäre. Aber so
verhielt es sich nicht, und er hatte nichts vorgefunden als die
ganze Last der Zeit.
    »Sag ihm, es war nicht immer so«, flüsterte
Bisesa Eumenes zu, »sag ihm, dass neun Jahrhunderte
später, als dieser Ort bereits zum römischen Imperium
gehörte und das Christentum die offizielle Religion des
Reiches war, hier, in dieser Oase, immer noch eine Gruppe von
Anhängern des Zeus-Ammon sowohl den Gott als auch Alexander
anbeteten!«
    Eumenes neigte gewichtig den Kopf und ging, um seinem
König in maßvollen Worten die Botschaft zu
überbringen. Alexander antwortete etwas, und Eumenes kehrte
zu Bisesa zurück. »Er sagt, dass selbst ein Gott

Weitere Kostenlose Bücher