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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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sinnlich. Alles in allem fand Bisesa ihn lieb und
anziehend, das musste sie sich eingestehen, obwohl sie deswegen
sonderbare, dunkle Schuldgefühle hatte; es war, als
würde sie Myra damit auf irgendeine Weise verraten. Doch
allmählich ließ es sie nicht mehr gleichgültig,
dass er sich so offensichtlich zu ihr hingezogen fühlte.
    »Glauben Sie«, fragte er, »dass selbst die
Sterne am Firmament verschoben sein könnten?«
    »Ich weiß es nicht, Josh«, sagte sie.
»Vielleicht ist das mein Himmel da oben, vielleicht ist es
der Ihre. Vielleicht ist er weder das eine noch das andere. Ich
möchte es nur herausfinden.«
    Ruddy sagte: »Im einundzwanzigsten Jahrhundert haben Sie
ganz gewiss viel tiefer gehende Einsichten als wir armen Toren,
was die Natur des Kosmos betrifft, ja selbst jene der Zeit und
des Raumes.«
    »Ja!«, rief Josh eifrig, »es mag uns zwar
ein Rätsel bleiben, warum uns das alles
zugestoßen ist, aber ausgestattet mit dem formidablen
Wissen Ihrer Zeit, könnten Sie, Bisesa, zum mindesten
Vermutungen darüber anstellen, wie die Welt so auf
den Kopf gestellt werden konnte…«
    »Vielleicht«, mischte sich Abdikadir ein,
»aber es wäre schwierig, etwa über die Raumzeit
zu sprechen, weil Sie und Ihre Zeitgenossen erst in etwa zwei
Dutzend Jahren mit der speziellen Relativitätstheorie
Bekanntschaft machen werden.«
    Ruddy blickte verständnislos drein. »Der speziellen
– was?«
    »Fang an mit dem Verfolgen eines Lichtstrahls«,
lautete der trockene Rat des Telefons. »Wenn’s gut
genug war für Einstein…«
    »Also gut«, sagte Bisesa und nickte. »Josh,
überlegen Sie: Wenn ich Ihnen jetzt ins Gesicht schaue, sehe
ich Sie nicht so, wie Sie jetzt sind, sondern wie Sie vor
ein paar Sekundenbruchteilen waren – vor genau jener Zeit,
die das Licht der Sterne benötigt, um von Ihrem Gesicht
reflektiert zu werden und meine Augen zu erreichen.«
    Josh nickte. »So weit, so klar.«
    »Nun stellen Sie sich vor, ich würde das Licht
verfolgen, das von Ihrem Gesicht ausgeht – und immer
schneller und schneller werden. Was würde ich
sehen?«
    Josh legte die Stirn in Falten. »Es wäre so, als
würden zwei Schnellzüge einander überholen –
beide sind flott unterwegs, aber von einem der beiden aus
gesehen, bewegt sich der andere langsamer.« Er sah sie an.
»Sie würden meine Wangen und meinen Mund so
geringfügig in Bewegung sehen wie einen Gletscher, wenn ich
zur Begrüßung lächle!«
    »Genau«, sagte sie, »Sie haben erkannt,
worauf es ankommt. Und was Einstein betrifft…
äh… das war ein Physiker des frühen zwanzigsten
Jahrhunderts, ein sehr bedeutender. Also Einstein lehrte, dass es
sich bei dem, worüber wir gerade sprachen, nicht bloß
um einen optischen Effekt handelt. Licht ist das fundamentalste
Mittel der Zeitmessung, das wir haben. Es ist nicht nur so, dass
ich sehe, wie sich Ihr Gesicht langsamer bewegt, Josh. Je
schneller ich reise, desto langsamer sehe ich die Zeit
für Sie vergehen!«
    Ruddy zupfte versonnen an seinem Schnurrbart.
»Warum?«
    Abdikadir lachte auf. »Fünf Generationen
Physiklehrer seit Einstein haben es nicht geschafft, darauf eine
passable Antwort zu geben, Ruddy! So verhält es sich eben im
Universum.«
    Josh grinste. »Wie wunderbar! Dass Licht ewig jung
bleibt, ewig alterslos – vielleicht stimmt es, dass Gottes
Engel tatsächlich Wesen aus Licht sind!«
    Ruddy schüttelte den Kopf. »Engel hin oder her, die
Sache kommt mir in höchstem Maße verdächtig vor!
Und warum hat sie überhaupt etwas mit unserer
gegenwärtigen Situation zu tun?«
    »Weil«, erklärte Bisesa, »in einem
Universum, in dem sich die Zeit rund um uns nach dem Tempo
richtet, in dem wir uns fortbewegen, das Konzept der
Gleichzeitigkeit ein wenig knifflig ist. Was beispielsweise
für Ruddy und Josh gleichzeitig ist, ist unter
Umständen nicht gleichzeitig für mich. Es hängt
davon ab, wie schnell wir uns bewegen, wie das Licht von einem
zum anderen geht.«
    Josh nickte zwar, doch er war offensichtlich unsicher.
»Und das ist nicht etwa ein Effekt der zeitlichen
Koordinierung?«
    »Nicht der zeitlichen Koordinierung, sondern der
Physik«, sagte Bisesa.
    »Ich verstehe. Glaube ich jedenfalls… Und wenn
das passieren kann, dann wäre es auch möglich, zwei
Geschehnisse zu betrachten, die nicht gleichzeitig
stattfinden – sagen wir, einen Augenblick in meinem Leben
im Jahre 1885 und einen Augenblick in Bisesas Leben,

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