Die Zeit-Odyssee
2037
–, und die beiden zusammenzubringen, bis sie sich
berühren, so dicht, dass wir uns sogar…«
»Küssen könnten?«, unterbrach Ruddy ihn
mit spöttischem Ernst.
Der arme Josh errötete doch tatsächlich.
»Aber all das«, fuhr Ruddy fort, »beruht
doch auf einer Betrachtungsweise von dem einen oder anderen
Standpunkt der jeweiligen Personen aus. Von welchem
übermächtigen Standpunkt aus ist dann diese neue Welt
zu betrachten? Vom Standpunkt Gottes oder des Auges der Zeit
selbst?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Bisesa.
»Wir müssen mehr erfahren«, meinte Josh
entschieden. »Wenn wir je eine Chance haben wollen, die
Dinge wieder ins Lot zu bringen…«
»Ach ja, richtig!« Ruddy lachte dumpf auf.
»Da wäre noch dieses Detail: die Dinge wieder ins Lot
zu bringen!«
»Wisst ihr«, sagte Abdikadir, »in unserer
Zeit haben wir uns längst daran gewöhnt, dass Meere,
Flüsse und die Luft verschmutzt sind. Und jetzt ist eben
plötzlich die Zeit kein stetiger, unbarmherziger Strom mehr,
sondern aufgewühlt, voller Turbulenzen und Wirbel.« Er
hob die Schultern. »Vielleicht ist das auch etwas, woran
wir uns einfach gewöhnen müssen.«
»Oder vielleicht ist die Wahrheit auch simpler«,
entgegnete Ruddy brutal. »Vielleicht haben eure
lärmenden Kreiselmaschinen einfach die Kathedralenstille der
Ewigkeit zerrissen! Das Donnern und Krachen der schrecklichen
Kriege eures Zeitalters haben die Mauern der Kathedrale so
erschüttert, dass sie brüchig geworden sind!«
Josh blickte von einem zum anderen. »Du meinst, das
alles könnte möglicherweise keine natürliche
Ursache haben… und es wäre auch nicht auf das Tun
eines höheren Wesens zurückzuführen –
sondern es wäre unsere Schuld?«
»Vielleicht«, räumte Bisesa ein,
»vielleicht auch nicht. So weit ist unsere Wissenschaft
auch nicht fortgeschritten, Josh. In diesem Fall reichen unsere
Kenntnisse nicht aus.«
Ruddy grübelte; der Gedanke an die Relativität
ließ ihn nicht los. »Wer war dieser Bursche –
sagten Sie ›Einstein‹? Klingt nach einem
Deutschen.«
Abdikadir sagte: »Er war deutscher Jude. Zu eurer Zeit
– in diesem Jahr war er… mmm… ein
sechsjähriger Schuljunge in München.«
»Raum und Zeit können sich verbiegen und
verzerren…«, murrte Ruddy missmutig vor sich hin,
»es gibt keine Gewissheit mehr, nicht einmal in der
Physik… Wie sehr Einsteins Ansichten dazu beigetragen
haben müssen, der Welt zu Unbeständigkeit und
Auflösung zu verhelfen! Und nun sagen Sie, der Mann war
sowohl Hebräer als auch Deutscher – das passt alles so
zwangsläufig zusammen, dass man lachen
könnte!«
Das Telefon sagte mit ruhiger Stimme: »Bisesa, da ist
noch etwas.«
»Ja?«
»Tau Ceti.«
»Was ist das?«, fragte Josh sofort. »Ach ja,
ein Stern.«
»Ein Stern wie die Sonne, etwa zwölf Lichtjahre
entfernt«, fuhr das Telefon fort. »Ich sah, wie er
zur Nova wurde. Sie war nur schwach sichtbar, und zu dem
Zeitpunkt, als ich sie bemerkte, war ihr Höhepunkt bereits
überschritten und die Leuchtkraft im Abnehmen. Sie dauerte
nur ein paar Nächte an, aber…«
Abdikadir zupfte an seinem Bart. »Was ist so
bemerkenswert daran?«
»Dass es einfach nicht möglich ist«,
antwortete das Telefon.
»Und warum?«
»Nur binäre Systeme können zur Nova werden.
Einer der beiden Doppelsterne muss dem anderen inaktive Masse
liefern, bis dieser schließlich so aufgebläht ist,
dass er explodiert.«
»Und Tau Ceti ist ein Einzelstern. Wie kann er also zur
Nova werden?«, fragte Bisesa.
»Du kannst ja meine Aufzeichnungen
nachprüfen«, fauchte das Telefon giftig.
Bisesa warf einen zweifelnden Blick zum Himmel.
»Unter den gegebenen Umständen«, schaltete
Ruddy sich verdrießlich ein, »erscheint mir dieses Rätsel als reichlich abstrakt und irrelevant!
Vielleicht sollten wir uns eingehender mit den Dingen
beschäftigen, die uns unmittelbar berühren. Dieses so
genannte Telefon arbeitet nun bereits seit Tagen an seiner
babylonischen Datumsberechnung. Wie lange wird es noch brauchen,
um seine fabelhaften Erkenntnisse zu liefern?«
»Das hängt von ihm ab. Es hat immer schon seinen
eigenen Kopf gehabt.«
Ruddy lachte auf. »Euer Wohlgeboren, wenn es Euch
beliebt«, wandte er sich an das Telefon, »teilt mir
also mit, zu welcher Berechnung Ihr gekommen seid – auch
wenn diese noch nicht völlig gesichert ist. Ich befehle
es!«
»Bisesa…?«, fragte das Telefon.
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