Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
hatte eine Sicherung aktiviert, die darauf achtete, dass
das Telefon den Briten nicht zu bereitwillig Auskünfte gab.
Aber nun zuckte Bisesa die Achseln. »Das geht in Ordnung,
Telefon.«
    »Zum dreizehnten Jahrhundert«, wisperte es.
    Ruddy beugte sich näher. »Wie
bitte?«
    »Eine genauere Bestimmung ist schwierig. Die
Veränderungen in den Positionen der Sterne sind gering
– meine Kameras sind für das Tageslicht bestimmt, und
ich muss mit langen Belichtungszeiten arbeiten… und die
ewigen Wolken gehen mir schwer auf den Keks. In dieser Periode
gibt es eine Menge Mondfinsternisse; wenn ich eine von denen
beobachten kann, wäre ich in der Lage, den genauen Tag zu
bestimmen.«
    »Das dreizehnte Jahrhundert, sapperlot«, hauchte
Ruddy und hob den Blick zum wolkenverhangenen Himmel.
»Sechs Jahrhunderte von zu Hause weg!«
    »Und wir acht«, bemerkte Bisesa erbittert.
»Aber was heißt das? Es mag zwar der Himmel des
dreizehnten Jahrhunderts sein, aber die Erde, auf der wir stehen,
ist nicht die Welt des dreizehnten Jahrhunderts. Jamrud etwa
gehört nicht dort hin.«
    »Vielleicht«, sagte Josh, »ist das
dreizehnte Jahrhundert nur so etwas wie… ein Fundament.
Wie das darunter liegende Gewebe, auf dem die Zeitfragmente, aus
denen dieser große chronologische Flickenteppich besteht,
aufgenäht sind.«
    »Es tut mir Leid, wenn ich der Überbringer
schlechter Nachrichten bin«, sagte das Telefon.
    Bisesa hob die Schultern. »Ich glaube, sie sind eher
kompliziert als schlecht.«
    Ruddy lehnte sich mit dem Rücken an den Felsen und
verschränkte die Finger hinter seinem breiten Schädel;
die Wolken spiegelten sich in seinen Brillengläsern.
»Das dreizehnte Jahrhundert«, sagte er versonnen.
»Nun erweist sich diese Reise letzten Endes als
übervoll mit Wundern; ich dachte, ich würde mich an die
Nordwestgrenze begeben, und das wäre Abenteuer genug. Doch
nunmehr ins Mittelalter entführt zu werden… Nun, ich
muss gestehen, es ist dennoch nicht der Sinn für das
Wundersame, der mich im Moment erfüllt. Nicht einmal Furcht
angesichts der Tatsache, dass wir verloren sind.«
    Josh nahm einen Schluck Limonade. »Was dann?«
    »Als ich fünf Jahre alt war«, sagte Ruddy,
»wurde ich zu Zieheltern nach Southsea geschickt. Das ist
natürlich nichts Ungewöhnliches, denn jeder Emigrant
wünscht sich, dass auch seine Kinder noch feste Wurzeln in
der alten Heimat England haben. Aber mit fünf wusste ich
darüber noch nichts. Ich hasste das Haus in dem Augenblick,
als ich zum ersten Mal den Fuß da reinsetzte – Villa
Einsam, das Haus der Verzweiflung. Ich wurde
regelmäßig bestraft – für das
grässliche Verbrechen, einfach nur ich zu sein. Meine
Schwester und ich fanden Trost darin, Robinson Crusoe zu spielen,
ohne zu ahnen, dass aus mir selbst einst ein Robinson Crusoe in
der Zeit werden würde. Ich frage mich, wo die arme Trix
jetzt wohl sein mag… Aber was mich an meiner Situation in
jenen Tagen am meisten schmerzte, war das Gefühl des
Verlassenseins – so sah ich es jedenfalls –, das
Gefühl, von meinen Eltern verraten und an jenem trostlosen
Ort des Elends und des Leides zurückgelassen worden zu
sein.«
    »Und so ist es hier«, murmelte Josh.
    »Einst wurde ich von meinen Eltern verlassen«,
stellte Ruddy bitter fest, »und jetzt wurden wir sogar von
Gott selbst verlassen.«
    Daraufhin schwiegen alle. Die Nacht erschien Bisesa
riesengroß unter diesem Himmel, an dem sogar die Sterne
fremd waren. Seit dem Augenblick der Diskontinuität hatte
sie sich nicht so ausgesetzt gefühlt, so gestrandet. Sie
verspürte eine schmerzliche Sehnsucht nach Myra.
    »Ruddy«, sagte Abdikadir nachsichtig, »Ihre
Eltern wollten doch nur das Beste für Sie, nicht wahr? Das
verstanden Sie nicht, und es waren daher Ihre eigenen
Gefühle, mit denen Sie nicht fertig wurden.«
    »Wollen Sie damit sagen«, warf Josh ein,
»dass derjenige, der verantwortlich ist für das, was
mit der Welt passiert ist – Gott oder nicht –, es
eigentlich gut mit uns meint?«
    Abdikadir zog die Schultern hoch. »Wir sind nur
Menschen, und die Welt wurde eindeutig von übermenschlichen
Kräften transformiert. Wie sollten wir uns anmaßen,
die Motive hinter derartigen Kräften verstehen zu
können?«
    »Gut, Sie haben Recht«, sagte Ruddy. »Aber
ist unter uns hier wirklich jemand, der glaubt, dass
hinter all diesem Herumspielen mit unserer Welt eine wohlwollende
Macht

Weitere Kostenlose Bücher