Die Zeit-Odyssee
das schwarze Kraushaar kurz geschoren, und ihre Haut war
übersät von eingetrockneten Blutkrusten. Die Gewehre
der Sepoys jagten ihnen ganz offensichtlich eine
Todesangst ein, denn als ein Mann aus der Gruppe der Soldaten
spielerisch seine Waffe hob, schrie einer der beiden Gefangenen
auf und fiel auf die Knie.
Grove blieb vor den Fremden stehen und stemmte die Fäuste
in die Hüften. »Lassen Sie sie doch um Himmels willen
in Ruhe, Mann! Sehen Sie nicht, wie verängstigt die beiden
sind?«
Blöde grinsend rückten die Sepoys von den
beiden Männern ab.
Ruddy starrte die Neuankömmlinge erwartungsvoll an.
»Also, Mitchell«, blaffte Hauptmann Grove,
»was haben Sie mir da mitgebracht? Welche Sorte Paschtunen
sind denn das?«
»Weiß nich’, Sir«, antwortete der
Korporal. Er sprach im breitesten Westlanddialekt.
»Sin’ keine Paschtunen, denk ich. War auf Patrouille
unten, Richtung Südwesten…« Mitchells Trupp war
von Grove ausgeschickt worden, um sich den »Heerzug«,
den man dort gesichtet hatte, näher anzusehen. Bei den
beiden Gefangenen handelte es sich offenbar um Kundschafter
dieser Armee, die in der anderen Richtung unterwegs gewesen
waren. »Ursprünglich waren’s ja drei; kamen auf
kleinen stämmigen Pferdchen daher, die sahen aus wie
Grubenponys. Dann fingen sie an, ihre Speere auf uns zu
schmeißen, und dann wollten sie mit Messern auf uns
losgehen – die drei gegen ein halbes Dutzend von den
Unsrigen! Da mussten wir ihnen die Pferde unterm Hintern
wegschießen un’ dann noch einen von ihnen abknallen,
ehe sich die beiden hier ergeben wollten. Un’ als die
Pferdchen unter ihnen wegsackten, da rollten sie sich bloß
zur Seite un’ stießen die Viecher an, damit sie
aufstehen sollten. Die hatten gar nich’ mitgekriegt, dass
wir die Pferde erschossen haben.«
»Wenn Sie noch nie eine Schusswaffe gesehen hätten,
Hauptmann Grove«, warf Ruddy trocken ein, »wären
Sie auch einigermaßen sprachlos, wenn Ihr Pferd wie vom
Blitz getroffen unter Ihnen zusammenbricht.«
»Was wollen Sie damit sagen, Sir?«, fragte
Hauptmann Grove.
»Dass diese Männer möglicherweise aus einer
anderen Zeit kommen – einer Epoche, die weiter entfernt ist
als jeder Paschtune!«
Die beiden Fremden lauschten diesem Dialog mit offenem Mund.
Dann schnatterten sie aufgeregt miteinander, jedoch sichtlich
unfähig, die ängstlich aufgerissenen Augen von den
Gewehren der Sepoys abzuwenden.
»Das hört sich an wie Griechisch«, bemerkte
Ruddy.
»Griechen?«, staunte Josh. »In
Indien?«
Bisesa hielt ihr Telefon nahe an die Gesichter der Fremden.
»Telefon, kannst du…?«
»Meine Technologie ist zwar intelligent, aber nicht so intelligent!«, fauchte das Telefon. »Ich
halte es für irgendeinen archaischen Dialekt.«
Cecil de Morgan trat aus der umstehenden Menge hervor und zog
sich etwas verlegen das Jackett zurecht. »Meine Herren, man
hat einst eine passable Erziehung an mich vergeudet, jedoch
entsinne ich mich doch noch an Reste meines
Euripides…« Er sprach ein paar rasche Worte zu den
Fremden, und sie schnatterten zurück. De Morgen hielt
protestierend die Hände hoch, trug ihnen dann offenbar auf,
langsamer zu sprechen, und ergriff wieder das Wort.
Nach einer Minute wandte er sich an Hauptmann Grove.
»Ich denke, Hauptmann, wir sind in der Lage, leidlich
miteinander zu konversieren.«
»Dann fragen Sie sie, woher sie kommen«, sagte
Grove. »Und von wann.«
»Sie würden die Frage nicht begreifen, Hauptmann
Grove«, mischte Ruddy sich ein. »Und vermutlich
würden wir die Antwort nicht verstehen.«
Grove nickte höflich, und Bisesa bewunderte seine
Unerschütterlichkeit. »Dann fragen Sie sie, unter
wessen Kommando sie stehen.«
De Morgan benötigte eine Weile, und erst beim zweiten
Versuch klappte es. Doch die Antwort war glasklar zu verstehen,
auch ohne Übersetzung.
»Al-e-han-dreh! Al-e-han-dreh!«
Abdikadir trat einen Schritt vor, und seine Augen glitzerten
voll wilder Spekulationen. »Er ist hier
durchgekommen! Ist es möglich? Ist es möglich… ?«
{ 16 }
DER WIEDEREINTRITT
Der Einsatz der Bremsraketen war kurz – nicht mehr als
ein Tritt in den Hintern, sozusagen, aber er reichte aus, die
Sojus aus dem Orbit zu befördern.
Nun war es getan, die Entscheidung gefallen, und was auch
immer von Koljas Leben blieb – Minuten oder Jahre –,
würde von den Auswirkungen dieser Entscheidung
unwiderruflich geprägt
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